Die Vorstellungen, die man sich hierzulande vom altpersischen Propheten macht, gründen meist auf Nietzsches Buch „Also sprach Zarathustra“ und Richard Strauss‘ gleichnamiger sinfonischer Dichtung. Aber abgesehen von nebensächlichen Details nehmen diese Werke keinerlei Bezug auf den historischen Zarathustra und seine Weisheitslehre. Wer aber war Zarathustra wirklich und was veranlasste ihn, vor etwa 3000 Jahren eine neue Religion zu gründen?
Der kosmopolitische Künstler Sina Vodjani hat als Sohn eines Persers und einer Französin einen persönlichen Bezug zum Iran. Er ging der Frage nach und hat sich deshalb für sein neuestes Kunstwerk auf eine außergewöhnliche Reise in sein Geburtsland gemacht. Er hat die Geschichte des persischen Philosophen auf ihre Wurzeln zurückgeführt und erstmalig in dieser Form künstlerisch bearbeitet.
Von der Vielgötterei zum einen Gott
Die Zustände in seinem Land, auch hervorgerufen durch die Vielgötterei, bewogen Zarathustra dazu, sich im Alter von etwa 20 Jahren in eine Berghöhle zur Meditation und zur Reflexion über die Welt zurückzuziehen. Nach 10 Jahren der Abgeschiedenheit, sagt die Überlieferung, gelangte er schließlich zur Einsicht, d. h. zur Erkenntnis Gottes, und wurde zum Propheten berufen.
Im Nordwesten Persiens, seiner Heimat, stießen Zarathustras Lehren zunächst auf wenig Resonanz, zumal die Verkündung eines einzigen, allmächtigen Gottes in der damaligen Zeit etwas völlig Neues und Unerhörtes waren. Die Überlieferung sagt, Zarathustra habe 47 Jahre lang für die „Erneuerung der Welt“ gekämpft und sei am Ende bei der Verteidigung seines Feuertempels den Tod eines Kriegers gestorben. Griechische Quellen hingegen berichten von einem himmlischen Feuer, das ihn verschlang.
Unter der Herrschaft der Achämeniden (um 700–330 v. Chr.) setzte sich die Religion Zarathustras, oft auch Zoroastrismus genannt, mehr und mehr durch und wurde schließlich zur Staatsreligion im alten Perserreich. Erst der zunehmende Einfluss des Islam ab etwa 640 n. Chr. verdrängte die alte Religion und viele Anhänger wanderten damals nach Indien aus, wo sie die Gemeinschaft der Parsen gründeten. Die wenigen Zarathustrier, die damals in Persien blieben, zogen sich ins Gebirge, in die Wüste oder andere schwer zugängliche Gebiete zurück, um ihre Lebensweise und ihren Glauben zu pflegen.
Unterschiedliche Eindrücke aus dem Land des Zarathustra: Reliefs an prächtig geschmückten Fassaden, alte Festungen und Bollwerke sowie eine beeindruckende Natur- und Kulturlandschaft.
Nomaden ziehen auch noch heute durch das Land wie vor 2000 Jahren.
Bild ganz rechts: Anahita-Tempel in Bishapur Er ist Bestandteil der Palastanlage des Herrschers Schapur I. (3. Jh. n. Chr.) Die Treppe führt in einen tiefer gelegenen Sakralbau.
Die Lehre des Zarathustra
Die Lehre des Zarathustra kann historisch als die erste monotheistische Religion der Welt angesehen werden und der Glaube an Ahura Mazda, den allwissenden Gott und Herrn der Weisheit, wurde zum Zentrum seiner Verkündung. Ahura Mazda sieht den Menschen nicht als seinen Sklaven – er hat ihm Wissen und Urteilsvermögen geschenkt, Willensfreiheit und die Möglichkeit, höhere Stufen des Menschseins zu erreichen. Und der Weg dorthin führt über die Tugend der Wahrhaftigkeit und die drei Prinzipien des Zoroastrismus: gute Gedanken, gute Worte und gute Taten.
Diese Gedanken sind uns heute nicht fremd und man kann sagen, dass die Lehren des Zarathustra viele moderne, ja aufklärerische Züge zeigen. Der einzelne Mensch ist für seine Taten voll verantwortlich, hat einen freien Willen und kann seinen Weg und seine Lebensweise selbst wählen. Dabei soll er sich aber stets am Guten orientieren und an der kosmischen Weltordnung, die im Zoroastrismus als „Asha“ bekannt ist. Der Mensch soll sich an das Gesetz der Wahrheit und Richtigkeit halten und in Harmonie damit leben. Er soll Liebe, Bescheidenheit und all seine guten Eigenschaften zeigen. Nur auf dem Pfad des Asha kann es ihm gelingen, die Wahrheit zu erkennen und in Berührung mit Gott zu kommen.
In der Lehre Zarathustras sind alle Menschen gleich, unabhängig von Rasse, Nationalität, Sprache, Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder Glaube. Alle stehen mit dem Zarathustrier auf einer Stufe. Ein wahrhaft moderner Ansatz, der aber dennoch über die Jahrhunderte immer wieder unterdrückt wurde und oft in Vergessenheit geraten ist.
Oben links: Bagh-E Eram, der „Paradiesgarten“ mit dem Ghajar-Palast aus dem 19. Jahrhundert. Unten links: Die Stadt Yazd, Zentrum der Brokat- und Seidenherstellung und Mittelpunkt der zoroastrischen Religion.
Bild rechts mittig: Eingang zur Grotte Chak Chak, dem wohl bedeutendsten zoroastrisches Höhlen-Heiligtum. Tausende Pilger aus Indien, dem Iran und anderen Ländern strömen jedes Jahr hierher, um hier ihren Glauben zu feiern.
Bild ganz rechts: Traditionell gekleidete Frau im Dorf Abyaneh, Provinz Isfahan. Früher gehörten alle Einwohner dem zoroastrischen Glauben an. Auch wenn heute der Islam regiert: Kleidung, Sprache und Lebensweise sind fast unverändert.
Das Land Zarathustras
Kunstvolles Deckendekor im iranischen Stil. |
Das Bild zeigt einen Teil des Bagh-E Dolat Komplexes, früherer Gouverneursitz. |
Darstellung eines Löwen, der einen Stier angreift. Der Löwe ist Sinnbild des Frühlings, der den Winter vertreibt. Persepolis, Iran. |
Wenn wir an das Heimatland Zarathustras denken, den heutigen Iran, haben wir oft ähnlich falsche Vorstellungen wie vom Propheten und Religionsgründer. Was wissen wir eigentlich von dem Land, das in den Massenmedien meist als Mullah-Regime oder als islamischer Terrorstaat negativ dargestellt wird? Wie sieht der Iran jenseits des muslimischen Fundamentalismus aus?
Es ist ein wunderschönes Land mit einer großartigen Natur, zahllosen herrlichen Bauten aus altpersischer und islamischer Zeit, freundlichen und friedliebenden Menschen, die so ganz anders sind als uns die Medien gern glauben machen. Der Musiker und Multimedia-Künstler Sina Vodjani bringt es auf den Punkt:
„Die Leute sind, wie sie sind. Egal, welche Regierung sie haben. Du kannst den Charakter eines Volkes, auch der Perser, nicht ändern; die zoroastrischen Ursprünge leben in ihnen. Die Obrigkeit kann noch so unterdrückerisch sein, Iraner bewahren ihre Identität.“
Sicher repräsentieren die Anhänger Zarathustras im heutigen Iran mit gerade mal etwa 30000 Menschen eine Minderheit. Aber eine Mehrheit ist vom Gedankengut und den drei Prinzipien „gute Gedanken, gute Worte und gute Taten“ geprägt, was sich auch in der großen Gastfreundschaft und der herzlichen Art der Iraner spiegelt, die lieber feiern und Musik machen, statt Kriege zu führen. Wir, in unserem Teil der Welt, sollten nicht den Fehler machen, Regierungen mit der Bevölkerung in einem Land zu verwechseln, das unendlich viel zu bieten hat.
Mit „Zarathustra“ stellt Sina Vodjani sein Multimedia-Kunstwerk über den persischen Propheten Zarathustra vor. Die 3000 Jahre umfassende Geschichte des Zoroastrismus und dessen Kulturraum präsentiert er in einem großformatigen Buch inklusive DVD und CD, ein Genuss für alle Sinne. Sina Vodjani liefert mit diesem Meisterwerk ein völlig anderes Bild des Iran – abseits aller Politik.