Can’t buy me love

Die Erkenntnis ist nicht neu: Ein gut gefülltes Konto sagt nichts darüber aus, wie glücklich der Mensch ist. Im Gegenteil, es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass erfolgreiche Persönlichkeiten der Wirtschaft oder des Showbusiness mit einer inneren Leere zu kämpfen haben, die auch das dickste Portemonnaie nicht zu füllen vermag. Was aber ist der Grund für dieses Dilemma? Welche Dinge sind wirklich wichtig, um mit sich selbst zufrieden zu sein? Der Schlüssel liegt in unserer inneren Essenz.

Paul McCartney hat sich beim Musikmachen von jeher auf seine Intuition verlassen. Einige seiner größten Hits schrieb er, nachdem sie ihm in der Nacht als Traum offenbart wurden. Beim Klassiker Can’t buy me love war das gar nicht nötig. Denn allzu offensichtlich ist die Botschaft dieses Liedes im Bewusstsein der Menschheit verankert. Diamantringe, tolle Autos oder schicke Klamotten sind zwar käuflich zu erwerben, haben aber für die wirklich großen Gefühle keinen Nutzen. Glück und Zufriedenheit werden auf ganz anderen Ebenen erworben. Das wusste Paul McCartney, das wissen auch die meisten anderen Menschen.

Warum aber tappen dann so viele immer wieder in die Falle der Sehnsucht nach Geld und Ruhm? Warum verlieren sie sich in der Verheißung finanzieller Versprechen und vergessen dabei, worauf es wirklich ankommt? Die Antwort darauf ist etwas komplizierter, als man es vielleicht vermuten könnte.

Zunächst sieht es so einfach aus, wie es die Geschichte eines Unternehmensberaters zeigt: Jener sieht während eines Südseeurlaubs einen Einheimischen am Strand liegen und fragt ihn, was er da tue. Der Fischer erklärt ihm, dass er schon morgens auf See gewesen sei und nun eben jetzt am Strand liege. Der Unternehmensberater schüttelt den Kopf und versucht sich an einer kostenlosen Entwicklungshilfe:

»Wenn Sie so viel Zeit nach Ihrer Arbeit übrig haben, dann können Sie doch weiter fischen und die Fische verkaufen, die Sie selbst nicht essen.«

»Und wozu sollte ich das machen?«, fragt der Einheimische, der nicht versteht, was der fremde Mann von ihm will, der es daraufhin prompt erklärt: »Geld erwirtschaften!«

»Und was soll ich damit?«

Der Unternehmensberater seufzt: »Sie könnten weitere Boote kaufen, andere für sich arbeiten und fischen lassen.«

»Ja und dann, was habe ich davon?«

»Eines Tages werden Sie so viel erwirtschaftet haben, dass Sie nicht mehr arbeiten müssen. Dann können Sie tun und lassen was Sie wollen. Auch am Strand liegen.«

Der Fischer denkt nach und entgegnet nach einer Weile kopfschüttelnd: »Aber das kann ich doch jetzt schon.« Dabei sieht er freudig über die Palmen hinweg auf das blaue Meer. Der Unternehmensberater folgt seinem Blick und begreift doch den Zauber nicht, der sich vor ihm in der Luft spiegelt.

Derlei Erlebnisberichte gibt es in der Literatur in verschiedener Form unzählige und doch führen sie nicht dazu, die meisten Unternehmensberater und Arbeitnehmer der westlichen Welt nachhaltig zu verändern. Obwohl die Geschichte so naheliegend und ergreifend ist, obwohl man kein Abitur und keinen Masterabschluss braucht, um zu verstehen, was sich in diesem Gespräch abspielt und wer von beiden der Glückliche und wer der Getriebene ist. Was also liegt hinter diesem Dilemma, das den Menschen an seiner eigenen Selbstverwirklichung hindert?

Ursachen für das Dilemma

Es ist hilfreich einen Blick auf gesellschaftliche Konventionen, ihre Werte und Normierungen zu werfen und zu verstehen, wie sie erzeugt werden. Wenn man Kinder in zwei Gruppen einteilt und der ersten Gruppe anbietet, dass sie, wenn sie ein Bild malen, eine Urkunde bekommen, dann malen sie zügig dieses eine Bild und warten anschließend auf ihre Urkunde. Der anderen Gruppe sagt man gar nichts, außer dass sie malen dürfen. Diese Kinder malen so lange sie Lust haben und folgen ihrem inneren Empfinden.

Die meisten Kinder werden heutzutage von vornherein auf das Verhalten von Gruppe Eins getrimmt, auf Leistung und den entsprechenden Gegenwert. Dabei nimmt man ihnen, psychologisch gesprochen, ihre intrinsische Motivation. Diese ist dafür zuständig, dass wir Dinge aus unserem Bedürfnis und Lustempfinden heraus tun und nicht aufgrund einer zu erwartenden Leistung. Da die Grundlagen der Pädagogik und gesellschaftlichen Normierung aber auf eine extrinsische Motivation ausgerichtet sind (»Tu was ich dir sage, dann bekommst du deinen Lohn.«), geht der innere Zugang zum eigenen Wesen verloren. Moderne Menschen werden so darauf dressiert zu glauben, dass sie das sind, was sie leisten, und nicht das, was sie von innen heraus sind.

So fällt es vielen Erwachsenen später schwer, diese intrinsische Motivation zu erfahren. Sie verstehen zwar, was mit der Geschichte des Unternehmensberaters und des Fischers gemeint ist, können aber ihre eigene Programmierung nicht von heute auf morgen umstellen. Die innere Stärke, die jedem in die Wiege gelegt wurde, geht dabei im Laufe des Heranwachsens zugunsten einer passiven Hilflosigkeit verloren. Wer 30 Jahre lang gelernt hat, die Dinge so zu tun, wie es andere von ihm erwarten, der braucht eine gewisse Weile, bis er dieses Verhalten umprogrammieren kann.

»Man ist nicht arm, wenn man kein Geld hat. Arm ist man, wenn man denkt, es sei davon abhängig.«
Assiel Mahmoud

Darüber hinaus ist das Verhalten nicht einfach der Manipulationstrick einer Leistungsgesellschaft, sondern erfüllt zunächst einmal biologische Grundbedürfnisse. Nämlich die nach Sicherheit und Anerkennung. Gibt man einem Affen einen Apfel, ist er glücklich. Gibt man ihm zwei Äpfel und nimmt dann einen wieder weg, wird er wütend. Nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil sein Hormonhaushalt auf dieses Angebot reagiert hat. Dies entspricht dem tief im Menschen verankerten Verlustdenken, was immer dann zum Tragen kommt, wenn man sieht, was man nicht hat.

Es sorgt dafür, dass Menschen z.B. ein Image aufrechterhalten wollen. Botox unter die Haut zu spritzen, um vermeintlich besser auszusehen, hat nichts mit einem intrinsischen Bedürfnis zu tun, sondern entsteht immer als Reaktion auf Vergleiche mit anderen Personen. Man denke nur an die vielen tragischen Schicksale berühmter Persönlichkeiten wie Elvis Presley oder Marilyn Monroe, um zu verstehen, warum der Bezug zum eigenen Glücksanspruch damit nicht befriedigt wird. Ganz im Gegenteil: Die innere Leere wird mit zunehmenden Maße äußerer »Aufhübschung« nur größer.

Was am Ende zählt

So ist es nicht verwunderlich, dass die Krankenschwester Bronnie Ware zu einem erschütternden Ergebnis kommt:

Sie hatte über Jahre hinweg Aufzeichnungen von Sterbenden gesammelt, die der Schwester eine Rekapitulation ihres gesamten Lebens lieferten. Es stellte sich heraus, dass die meisten Menschen voll Reue waren – sich selbst gegenüber. »Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, anstatt es dauernd anderen Recht zu machen.« Das ist eine häufige traurige Quintessenz moderner Lebenswirklichkeit. Man arbeitet für den Arbeitgeber, die Bank und die Gesellschaft, tut aber zu wenig für sich selbst.

Auch Wolfgang Sonnenburg ist jenen Weg der falsch verstandenen Prioritäten gegangen, bis ihm eines Tages klar wurde, dass er umkehren musste, wenn er wirklich leben wollte. Seitdem nutzt er seine Fähigkeiten, um andere Menschen auf eben jenes Missverständnis zwischen innerer und äußerer Befriedigung hinzuweisen – als Vortragsredner und Autor. Sein Schlagwort lautet Purpose, dass im Deutschen mit »Absicht« oder »Bestimmung« übersetzt werden kann. Gebündelt auf das, was uns Menschen ausmacht, kann man auch den Begriff »Essenz« verwenden.

Die Essenz unseres wahren Wesens, unseres ursprünglichen Reichtums. Die Essenz ist ein Quell der Freude, auch in traurigen oder unangenehmen Situationen, da sie immer Kontakt nach innen bedeutet. Die Essenz ist der Berater der Seele und der Freund des Herzens. Sie ist göttlich und in jedem Wesen einmalig. Doch auch hier gilt wieder: Reicht es, sich dessen bewusst zu werden?

Studien zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer der westlichen Welt Dienst nach Vorschrift tun und mit ihrer Arbeit mehr oder weniger unzufrieden sind. Ihre alltäglichen Handlungen stimmen nicht mit ihrer persönlichen Essenz überein. Das heißt, sie sind sich bereits im Klaren darüber, dass ihre Essenz bei dieser Lebensart auf der Strecke bleibt. Wie ist das zu korrigieren?

Identität versus Identifikation

Zunächst kann man den tatsächlichen Unterschied zwischen Identität und Identifikation angehen. Identität ist das Ergebnis der individuellen Essenz, Identifikation ist das, was andere uns haben glauben machen, wer wir sind und wie wir sind. Wenn man Ihnen schon früh gesagt hat, Ihre Stimme sei zu laut oder Ihre Auffassungsaufgabe zu gering, dann hat das nichts mit Ihrer Identität zu tun, sondern es ist das schmerzhafte Eindringen fremder Glaubenssätze, die bald zu Ihren eigenen werden. Um sich davon zu lösen, ist eine intensive Rückbesinnung notwendig, die bei den wichtigsten und größten Einflussgebern nicht Halt machen darf.

Buddha ist in dieser Hinsicht ein Vorbild für viele Menschen, die ihre eigene Essenz wiederfinden wollen. Er wies deutlich darauf hin, das man ihm nicht einfach glauben solle, weil er Buddha sei, sondern nur dem eigenen Wesen Beachtung schenken sollte. Was also wollen Sie wirklich? Was sagt Ihnen Ihr Körper, was Ihre Seele, was Ihre verschiedenen energetischen Zentren? Diese vielen kleinen Buddhas sitzen in Ihnen und warten darauf, gehört zu werden. Sind Sie bereit, sich 24 Stunden und sieben Tage die Woche ausschließlich Ihrer Essenz zu widmen? Sonnenburg empfiehlt dazu eine Reihe von Achtsamkeitsübungen, die es Ihnen ermöglichen, zu sich zu kommen.

Hinzu kommen positive Affirmationen, bewusstes Atmen und ein liebevoller Umgang mit der Umwelt. Fragen Sie sich regelmäßig, welche Dinge sie tun müssen, um ihre Zuversicht zu stärken und welche Sie aufgeben sollten, damit diese nicht verloren geht. Legen Sie den Fokus auf Ihren eigenen Fortschritt und Ihre Entwicklung, aber nicht auf Perfektion und Leistung. Es gilt, Ihr innerstes Wesen zu entwickeln. Sie werden sehen: Die Angebote entsprechen – wie in der äußeren Welt auch – der Nachfrage; in Ihnen gibt es keinen Mangel an Angeboten, sondern nur einen Mangel an Nachfrage. Gehen Sie nach innen und entwickeln Sie ein Gespür für Ihre eigene Größe. Sie sind viel mächtiger als Sie denken.

Buchtipp
Wolfgang Sonnenburg
Lieber die ganze Welt gegen mich als meine Seele:
Warum Ihr Leben kein Kampf sein muss

200 Seiten, 16,95 €
ISBN: 978-3-89901-963-6
Verlag J. Kamphausen