„Du kannst das Bild der Welt nicht ändern.
Du musst bei dir selbst beginnen,
wenn du eine freudige und friedliche Welt erleben willst;
dies ist ein unumstößliches geistiges Gesetz.“
Zensho
Auf zeitgemäße, unkonventionelle Weise lehrt der westliche Zen-Meisters Zensho W. Kopp eine völlig freie Form des Zen. Seine jetzt erschienenen gesammelten „Aphorismen“ sind da keine Ausnahme: statt vieldeutiger Parabeln, kryptischer Vergleiche und blumig-asiatischer Poetik redet er auch hier Klartext. So können die kurzen lehrhaften Gedanken direkt erfasst werden, vermitteln die zentralen Gedanken des Zen und regen zum Weiterdenken und zum Überdenken des eigenen Seins an:
„Das Ego hat kein Sein aus sich selbst, sondern ist nur ein Prozess. Es ist ein Prozess in Form von Identifikationen mit den Erinnerungen einer toten Vergangenheit, mit alten Verhaltensmustern und allen möglichen Vorstellungen und Denkgewohnheiten. Doch das bist du nicht. Das hat mit dem, was du im Grunde deines Seins wirklich bist nicht das Allergeringste zu tun. Du glaubst zwar, dich in einer dreidimensionalen Welt von Raum und Zeit zu bewegen, in Wirklichkeit bewegt sich aber nur der Geist. Der Geist ist die Grundlage von allem, alles findet nur im Geiste statt.“
So erklärt er beispielsweise unter dem Titel „Geistige Verblendung“ oder mahnt in „Jetzt“: „Das Jetzt ist immer hier, nur du bist nicht hier. Das Jetzt ist immer anwesend, nur du bist abwesend.“ Jeweils auf einer Seite erläutert Zensho in nur drei, vier Sätzen ein Thema unter dem Gesichtspunkten des Zen. Es geht zum Beispiel um Glück, Sexualität, Esoterik, Meditation, Innewerden, Stille und das Erwachen. Und immer wieder schneidet Zensho „alte Zöpfe“ ab: „Das Hängen an äußeren Formen und frommen Übungen ist eine der größten Gefahren auf dem geistigen Weg. Es sind Fesseln, welche uns an Zeichen und Symbole binden, die eigentlich nur Wegweiser sein sollten, um uns den Weg nach innen zu weisen. Jedes religiöse Symbol weist somit über sich selbst hinaus auf das hin, was jenseits aller Benennung und Darstellbarkeit liegt. Über religiöse Symbole hinauszugehen, heißt nicht, sie selbst abzulehnen, sondern es heißt, das anzustreben, auf das sie verweisen.“
In direkter Dharma-Nachfolge von Zen-Meister Soji Enku (1908-1977) unterweist Zensho heute als einer der bedeutendsten Zen-Meister der Gegenwart im Wiesbadener Zen-Zentrum eine große Gemeinschaft von Schülern. Einmal im Monat leitet er ein zweitägiges Zen-Wochenende, an dem auch interessierte Gäste teilnehmen können. Dank der „Aphorismen“ aber kann der Leser gleichsam jeden Tag an einer kleinen Lektion teilnehmen, als wäre er selbst im Zentrum bei einer spontanen Belehrung anwesend.