Zeitlose Zyklen

Die nordamerikanischen Hopi drücken in ihrer Sprache bis heute das universale Prinzip der Gleichzeitigkeit aus: Erzählungen, egal ob aus der Vergangenheit, der Zukunft oder der Gegenwart, kennen nur eine einzige Verbform; zeitliche Unterscheidungen ihres Ausdrucks sind der Kultur unbekannt. Dieser Tatsache wird auch innerhalb der modernen Physik Rechnung getragen, wenn die Experten von einem Zeit-Raum-Kontinuum sprechen. Viele andere Kulturen oder Wissensbereiche zeigen ein ähnliches Schema, doch gibt es innerhalb dieser zeitlosen Einheiten markante Zyklen. Ein großer globaler Zyklus steht aufgrund seines baldigen Wendepunktes momentan dabei besonders im Mittelpunkt: Die Zeitenwende 2012.

Die alten mittelamerikanischen Indianervölker stehen nicht nur bei modernen Ethnologen oder Anthropologen hoch im Kurs. Auch in spirituellen Kreisen weiß man seit Langem von der Zeitenwende, die zur Sonnenwende des Jahres 2012 stattfinden soll. Dass es sich dabei um viel mehr als arithmetische Phantastereien handelt, ist aufgrund der verblüffend exakten und kosmologisch versierten Berechnungen des Mayakalenders längst kein Geheimnis mehr. Schon kurz nach der Entdeckung Amerikas mussten die ersten Kolonisatoren und Wissenschaftler zugeben, dass jene astronomischen Kenntnisse, die sie dort vorfanden, denjenigen der alten Welt weit überlegen waren. So wurde nicht nur mathematisches, sondern auch kosmologisches Wissen von den Europäern adaptiert und ist bis heute integraler Bestandteil ihrer Wissenschaften.

Besonders der Zyklus der Präzession von 25.625 Jahren, also der Einheit, die die Erde aufgrund ihrer Eigenpendelbewegung braucht, um den kompletten Tierkreis zu durchlaufen, ist dabei von herausragender Bedeutung. Teilt man jenen großen Zyklus nämlich, wie es die alten Indianervölker vorgaben, in fünf gleich große Weltzeitalter, so entspricht jedem Äon eine Länge von 5125 Jahren. Und genau solch ein Zeitabschnitt endet 2012. Auffällig bei diesen Zahlenkonstrukten ist die Tatsache, dass unterschiedliche Kulturen ähnliche Zeitvorstellungen benutzen. Gemeinsam ist ihnen das Verständnis von Epochen als wellenartige Energieschübe sich wiederholender Zyklen, denen sich Natur und Leben anpassen.

Im Jahr 1790 fand man auf dem alten Zentralplatz von Mexico City einen berühmt gewordenen aztekischen Sonnenstein. Das Artefakt beeindruckt den Betrachter nicht nur durch seine immensen Ausmaße von vier Metern Durchmesser und vier Tonnen Gewicht, sondern stellt auch die fünf Weltzeitalter des Präzessionszyklus in Form von „fünf Sonnen“ – so die aztekische Bezeichnung für die einzelnen Epochen – dar. Ausgehend von der ersten Sonne „Nahui Ocelotl“ bis hin zur fünften Sonne, deren Ende kurz bevor steht. Dass jene fünfte Sonne sich mit „Sonne der Bewegung“ übersetzen lässt, ist ein weiterer Beleg für ein synchrones Verständnis verschiedener Weltkulturen, die allerorten tief greifende energetische Bewegungen erwarten. Dabei spielt die moderne Wissenschaft eine nicht unerhebliche Rolle, indem sie, nicht zuletzt dank der Einsteinschen Relativitätstheorie, das holistische Wissen der alten Völker stützt. Der Mathematikprofessor Benoit Mandelbrot schrieb in den 1970er Jahren eines der einflussreichsten Bücher zum Thema; er nannte es „Fraktale Geometrie“ und spielte damit auf die sich nur in ihrer Größe, aber nicht ihrer Form nach unterscheidenden Phänomene des Daseins an. Fraktale sind die Zyklen, die sich in jedweder Gestalt wiederholen. Die Blüten des Broccoli mit ihren unterschiedlich großen aber vom Muster her einheitlichen Ausprägungen oder der Blitz am Himmel, der als elektrischer Vermittler dem Neuron in der menschlichen Zelle äußerlich wie inhaltlich entspricht, sind nur zwei von vielen Beispielen, mit denen Mandelbrot eine technische Blaupause für ein zeitloses Verständnis offenbarte. Die moderne Nanophysik ist mittlerweile auf dem gleichen Stand. Die so genannte „Planck-Zeit“ ist eine Zeiteinheit, die so unvorstellbar klein ist (weniger als der billiardste Teil einer Sekunde!), dass die Wissenschaft jenen Bereich als zeitlos klassifiziert. Berechungen von vorher und nachher ergeben hier keinen Sinn, als reales Faktum des Daseins müssen sie aber dennoch akzeptiert werden.

Somit schließt sich der Kreis zu den alten Völkern, nicht nur zu jenen Amerikas, sondern auch zu den Überlegungen der Hindus, der Griechen oder der Ägypter. Die Zeit ist ein unendlicher Tanz von Zyklen, die in jeweils anderen Dimensionen einander dennoch gleichen. Von besonderer Bedeutung sind jene Wendepunkte, die auch ohne moderne Technologie von den alten Völkern errechnet worden sind und die mittlerweile frappierende Bestätigung erfahren haben. Wenn die Sonne im Dezember 2012 kulminiert, wird nicht nur ein neuer Winter oder Sommer (je nach Halbkugelperspektive) beginnen, sondern unser Zentralgestirn wird auch eine imaginäre Linie überqueren, die unsere linsenförmige Galaxie in zwei Hälfen teilt. Wie der Äquator die Erdkugel teilt, so teilt jene Linie die Galaxie. Ihre Durchquerung stellt nicht nur für die Mayakultur einen entsprechend kosmologischen Umkehrpunkt dar.

Der amerikanische Bestsellerautor Gregg Braden, der seit mehreren Jahrzehnten die heiligsten Stätten antiker Kulturen in Peru, Ägypten oder Tibet erforscht, stützt jene metazyklischen Ansichten in seinem neuesten, treffend betitelten Werk, „Fractal Time“. Für ihn sind die kosmologischen und kalendarischen Begebenheiten der Ausgangspunkt für eine globale menschliche Veränderung. Nicht nur das Magnetfeld der Erde und die Intensität der Sonnenstrahlung werden sich bis 2012 kontinuierlich steigern, auch die emotionale und spirituelle Fähigkeit der Menschheit kann davon profitieren. Besonders entscheidend ist für Braden die Verbindung wissenschaftlicher und spiritueller Gegebenheiten – so wie das Magnetfeld des menschlichen Herzens, dass in unserem Körper stärker ist als das aller anderen Organe, und das mit entsprechend kollektiver Absicht Großes erreichen kann. Wenn sich auf der Erde genügend Individuen mit ihrer Herzenskraft verbinden, so Braden, entsteht automatisch ein Feld, das die Herausforderungen der Zeitenwende annehmen kann. Das Erkennen und Begreifen dieses wichtigen Umkehrpunktes ist dafür die notwendige Vorraussetzung, das Anerkennen der Grenzenlosigkeit der wichtigste Beitrag. Der Dichter William Blake mag für letzteres Vorhaben die passenden Worte mit auf den Weg geben: „Wer eine Welt erblickt im Körnchen Sand, Und Himmel in dem Blumengrunde, Schließt die Unendlichkeit in seine Hand, Und Ewigkeit in eine Stunde“.

Seit mehr als 22 Jahren befasst sich der Wissenschaftler und Bestsellerautor mit den Geheimnissen und Mysterien des Bewusstseins. Zwei Nahtod-Erfahrungen und seine Arbeit als Reiseführer zu bekannten und vergessenen heiligen Plätzen auf der ganzen Welt veranlassten ihn, alte Aufzeichnungen, Mythen und Traditionen zu erforschen und mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verknüpfen.
www.greggbraden.de

BUCH-TIPP
Braden, Gregg
Fractal Time
286 Seiten, € 16,95
ISBN: 978-3-86728-087-7
Koha