„Alle Denksysteme, all die künstlichen Philosophien und Religionen, die geschaffen wurden, sind nur Folgeerscheinungen gehirnakrobatischer Spekulation, und deshalb bedürfen sie ständig neuer Krücken, Gerüste und Denkstützen, damit sie nicht in sich zusammenbrechen.“ So betont Zensho W. Kopp, einer der wenigen wirklich authentischen Zen-Meister Deutschlands und Europas, und räumt ein: „Viele Menschen glauben auch, Zen sei eine ganz schwierige Angelegenheit – es wird immer eine große Geheimnistuerei um Zen gemacht, doch ich sage euch: Zen ist ganz einfach.“
Auf zeitgemäße und oftmals erfrischend unkonventionelle Weise lehrt Zensho ein vollkommen freies Zen, das an keine bestimmte Form gebunden ist: „Wenn ihr krampfhaft versucht, die Erleuchtung durch stundenlanges Sitzen mit gekreuzten Beinen zu erlangen, tötet ihr den wahren Geist des Zen“, kritisiert er beispielsweise und beruft sich dabei auf die alten chinesischen Meister, die diese falsche Form der Meditationspraxis „die Geisterhöhle des toten Nichts“ nannten. Es sei ein gewaltiger Irrtum zu glauben, dass es im Zen nur darum gehe, die Stille des Geistes zu verwirklichen. „Deshalb praktizieren wir nicht jene knochenbrecherische japanische Kamikaze-Form des Zazen, wo man nur noch wie versteinert auf dem Meditationskissen sitzt und gegen die Wand glotzt“, formuliert der Zen-Meister drastisch, denn die Sitzmeditation allein ist in Wirklichkeit noch keine vollständige Meditationspraxis. In direkter Dharma-Nachfolge von Zen-Meister Soji Enku (1908–1977) unterweist Zensho als einer der bedeutendsten Zen-Meister der Gegenwart im Wiesbadener Zen-Zentrum eine große Gemeinschaft von Schülern. Dabei bemüht er sich insbesondere um die „Erweckung der Schüler aus dem alltäglichen Schlummer der Gewohnheiten“, denn sie hindern am unmittelbaren Erleben der Wirklichkeit. Beim wahren Zen gehe es vor allem um die „Haltung des Geistes von Augenblick zu Augenblick – bei allem, was man tut, und ohne Unterbrechung“, das ist das ursprüngliche lebendige Zen der alten Meister, betont Zensho, „… alles andere sind krankhafte Auswüchse überspannter Gehirne“.
In der Praxis des Zen gehe es vielmehr darum, einen „nichtanhaftenden Geist“ zu bewahren, überall und zu jeder Zeit –, sodass man in freier, nicht-identifizierter Weise mit den Dingen umgeht: etwa dass man lernt, Dinge zu besitzen, ohne dass die Dinge einen besitzen. Dass man handelt ohne Ich-Bezogenheit, sodass man innerlich frei ist vom Handeln. In dem Augenblick, in dem man, ohne sich anzustrengen, gelöst und natürlich bleibt, ist da keine Ego-Fixierung mehr und kein künstliches Gehabe, „da ist nur noch der Geist des Wu-wei, des Nicht-Tuns, und der Geist des Wu-nien, des Nicht-Denkens“, erklärt Zensho. In einer solchen Verfassung „einer heiteren Widerspiegelung des Geistes“ lösen sich Anhaftungen und Identifikationen des Menschen – Gier, Hass und Verblendung – auf, ebenso Verzweiflung, Leiden an Krankheiten, Schmerz und Tod. „All das löst sich auf, und ihr steht in der allumfassenden Ganzheit des Seins. Nicht dass ihr dann nicht mehr altern und sterben werdet, aber es geschieht einfach so. Die Dinge geschehen ganz natürlich“, so Zensho. Dies und vieles mehr erklärt der Zen- Meister in Form von Vorträgen, die in seinem neuen Buch „Die Freiheit des Zen“ mit dem Untertitel „Das Zen-Buch, das alle Begrenzungen sprengt“ zusammengefasst sind – oftmals provokant, aber immer basierend auf vielen Zitaten alter chinesischer Zen-Meister.
Die Freiheit des Zen
256 Seiten, € 8,95
ISBN: 978-3-89767-561-2
Schirner Taschenbuch Verlag