Seelen auf Safari

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Seelen auf Safari? Ein irischer Priester, der lange Zeit in Afrika lebte, nun in Kalifornien eine „Pilgergemeinde“ hat und aussieht wie der „Mann aus den Bergen“? Klingt nach einer interessanten Geschichte und ist es auch …

Ein irischer Geschichtenerzähler kommt in der Welt herum…
Seán ÓLaoires Weg führte ihn durch eine irische Musterkindheit inklusive Armut, skurrilen Verwandten und konservativem Glauben – er wurde katholischer Priester, verbrachte vierzehn Jahre in Afrika, äußerte seine politische Meinung zu laut und wurde aus diesem Grund des Landes verwiesen. Zwischendurch machte er einen Bachelor in Mathematik, einen Doktor in Psychologie und lernte jede Menge Sprachen. Dann fand er eine Anstellung in einer Diözese in Kalifornien, die ihn aber auch bald „freundlich“ bat, dort nicht mehr zu predigen, da er die Eucharistie grundsätzlich mit jedermann feiert. Explizite Einladungen zum Abendmahl an Schwule, Lesben, Geschiedene, Ungetaufte sind in der katholischen Kirche auch heute nicht gern gesehen. Er wurde aufgefordert, die Diözese zu verlassen – und ca. 500 Gemeindemitglieder gingen mit ihm und bilden heute mit Fr. Seán eine „Pilgergemeinde“, die ihren Gottesdienst immer an unterschiedlichen Orten feiert. Ein spannender Typ also. Ein großes Herz, das viele Aspekte unserer menschlichen Reise – denn nichts anderes bedeutet das Wort „Safari“ – in sich und seiner Botschaft vereint.

Er versteht sich immer noch als Katholik, möchte dies aber im ursprünglichen Sinne verstanden wissen: katholikos, allumfassend, nichts ausschließend …

 Fr. Seán : Für mich ist eines der traurigsten Dinge am Priestersein im katholischen System, dass die Regeln für den Empfang der Eucharistie so exklusiv sind. Die Eucharistie dürfte das Heilendste gewesen sein, was Jesus in seinem ganzen Leben getan hat. Sie hatte eine viel heilendere Wirkung als die Auferweckung von Menschen von den Toten oder die Heilungen der Verkrüppelten, die er wirkte, oder der Blinden, denen er das Sehen wiederschenkte. Die Eucharistie war das Ende der Exklusivität. Hier lud Jesus ausnahmslos alle von den Straßen und Gassen zu diesem Festmahl an Gottes Tisch; es war das Ende des Exklusiven und Elitären. Es schreckt mich total ab, wenn ich als katholischer Priester gesagt bekomme, ich müsse von diesem Festmahl alle ausschließen, die geschieden und wieder verheiratet seien, homosexuell oder nicht christlich. Das Wesen der Eucharistie ist ihre Inklusivität, was heißt, dass jeder Einzelne von uns von Gott gleichermaßen geliebt wird und wir alle an den Tisch seines Festmahls gerufen sind. Die Eucharistie ist ein Symbol der Liebe, die Gott für uns hat, und der Tatsache, dass Gott uns alle in gleichem Maß liebt. Eines der Dinge, die wir in unserer Kommunität sonntags tun, ist, dass wir zu den Leuten sagen: „Jede und jeder hier ist herzlich eingeladen, mit uns die Kommunion zu empfangen, denn Gott liebt jeden Einzelnen von uns im gleichen Maß und das hier ist ein Symbol dafür, wie Gott uns nährt.“ So bestürzt mich der Gedanke gewaltig, mir vorzustellen, dass aus der einmaligen, größten Lehre Jesu von der Inklusivität in der katholischen Lehre das Kriterium für die Exklusivität geworden ist.

Un-Dogmatik groß geschrieben
Er ist ein Querdenker, ein Revolutionär, einer, der sich nicht den Mund verbieten lässt, ein lebenskluger Geschichtenerzähler, einer, der weit herumgekommen ist und jeden Aufenthalt bei seiner Safari genutzt hat, um zu lernen – um zuzuhören und zu lieben. Er knüpft Verbindungen, die uns erlauben, uns unserer wahren Natur zu erinnern, die zugleich die Quellnatur aller anderen Wesen ist. In einem Moment sanft und poetisch die weibliche Seite Gottes beschreibend, im anderen streitbar und offensiv, wenn es um den Missbrauch heiliger Schriften (den er als „die ultimative Massenvernichtungswaffe“ bezeichnet) oder um den Hunger in der Welt geht – immer findet er die richtigen Worte, kritisiert nicht nur, sondern macht selbst kreative Vorschläge, die allen Menschen und nicht nur wenigen „Auserwählten“ zugute kämen.

 Fr. Seán : Ich entsinne mich einer Geschichte, die ich vor einigen Jahren über die „Special Olympics“, die Olympischen Spiele für Behinderte, gehört habe. Dabei wurde für Jugendliche ein 100- Meter-Lauf veranstaltet, wobei die Bezeichnung „Lauf “ für das übertrieben ist, was passierte. Es nahmen zwanzig oder dreißig Jugendliche von 15 bis 30 Jahren daran teil, von denen die meisten das Down-Syndrom hatten. Beim Startschuss rannten alle mehr oder weniger flink in Richtung Ziel los. Ein kleinerer Teilnehmer stürzte zu Boden und begann laut zu weinen. Da wandte sich die ganze Gruppe um und schaute zu dem hingefallenen Läufer zurück. Sie vergaßen den Lauf, gingen zu ihm zurück, hoben diesen Jungen auf, griffen einander unter die Arme und marschierten vereint voraus bis über die Ziellinie. Das ganze Stadion erhob sich von den Plätzen und spendete ihnen tosenden Beifall. Ich denke, darum geht es im Leben. Es geht darum, dass alle empfindenden Lebewesen gemeinsam die Ziellinie überschreiten. Ich glaube nicht an die individuelle Erlösung. Niemand kommt in den Himmel, solange nicht alle hineinkommen. Die alte christliche Vorstellung, die Freude des Himmels werde unter anderem darin bestehen, dass es an dessen Rand Fensterplätze gebe, von denen aus man auf die Qualen der Verdammten hinunterschauen könne, ist die schlimmste Verzerrung der Lehre Jesu.

Weisheit – Tradition – Mystik – Leidenschaft
Seine undogmatische Interpretation der großen Weisheitsschriften hat Fr. Seán viel Ärger eingebracht, aber er hat auch die Herzen vieler Menschen berührt und ihnen gezeigt, dass es ein tieferes und viel faszinierenderes Verständnis unserer Traditionen gibt, als es die meisten von uns bislang erfahren haben.

 Fr. Seán : Ich versuche, aus den großen Schrifttraditionen der Welt ihren mystischen Kern herauszuschälen, sodass wir jenseits der metaphorischen Sprache kommen, in der sie formuliert sind, oder der Art von kultureller Umwelt, aus der sie hervorgingen, oder insbesondere der buchstäblichen, fundamentalistischen Deutung ihres Sinnes. Wenn man in den Kern der heiligen hinduistischen, hebräischen, christlichen oder taoistischen Schriften vordringt, stößt man auf ein und dieselbe mystische Essenz. Meine Aufgabe, die ich mit Leidenschaft betreibe, besteht darin, in die Minen dieser Systeme vorzudringen und herauszufinden, worin der mystische Kern aller dieser Religionen besteht. Wenn man sich bis in diese Tiefe vorarbeitet, gibt es keine theologischen, liturgischen oder ethischen Unterschiede mehr. Man befindet sich an der Grundwasserquelle, aus der sich alle Flüsse der Welt speisen.

Es bleibt spannend, wohin Fr. Seáns Weg führen wird, welche Menschen er hierzulande – sein erstes Buch „Seelen auf Safari“ ist gerade im Aurum Verlag erschienen – mit seiner Botschaft erreichen wird. Eins ist sicher: Man wird noch viel von ihm hören und sein Weg wird ein ganz eigener sein.

„Liebe ist erst der Anfang …“, sagt Father Seán.

BUCH-TIPP
Seán ÓLaoire
Seelen auf Safari
240 Seiten, € 19,80
ISBN: 978-3-89901-111-1
Aurum