Der Eingeweihte

Cyril Scotts Trilogie ist der Erlebnisbericht eines geistigen Suchers, der seine langjährige Schulung durch einen Meister der Weisheit beschreibt. Es gibt kaum ein vergleichbares Werk der modernen spirituellen Literatur, das auf so faszinierende und ungemein packende Art Leben und Werk eines großen Eingeweihten schildert.

Im deutschsprachigen Raum zählt Cyril Scott noch immer zu den Geheimtipps, obwohl beispielsweise sein wundervolles Buch „Der Junge mit den lichten Augen“ schon seit über zwanzig Jahren ein Klassiker der spirituellen Literatur ist und inzwischen in der 10. Auflage verkauft wird. In England war der angesehene Theosoph nicht nur als spiritueller Schriftsteller bekannt, sondern galt auch als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Man könnte gleichsam den Eindruck gewinnen, dass er seine esoterische Einstellung geschickt hinter der öffentlichen Anerkennung als Musiker verbarg. Diese Vermutung wird auch dadurch gestützt, dass er sein wichtigstes Werk „Der Eingeweihte“ jahrelang unter dem Pseudonym „Aufgezeichnet von seinem Schüler“ verbarg. Vielleicht wollte er auch vermeiden, dass manche der beschriebenen Personen zu identifi zieren gewesen wären, hätte sein Name auf dem Buchumschlag gestanden.

Cyril Scott war nicht nur Autor von Prosa und Lyrik, er war auch leidenschaftlicher Musiker und anerkannter Komponist. Scott komponierte etwa 400 Werke, Opern, Sinfonien, Oratorien und Klavierkonzerte sowie zahlreiche kammermusikalische Werke und Lieder.

Cyril Scott war soweit bekannt nie formal Mitglied der Theosophischen Gesellschaft, dennoch bringen seine Hauptperson und ihre Lehren reine Theosophie zum Ausdruck. Scott war jahrelang der persönliche Schüler eines „Meisters der Weisheit“, sowohl in England als auch in den Vereinigten Staaten. In seinen drei Bänden „Der Eingeweihte“ schildert er seine Jahre an der Seite seines Meisters, dem er im Buch den Namen Justin Moreward Haig gibt. So ergibt sich für den Leser die faszinierende Schilderung eines authentischen Meister-Schüler- Verhältnisses, das in dieser Form so noch nie literarisch bearbeitet wurde. Es zeigt sich, dass die „Meister“ keine schillernden Figuren mit goldenen Gewändern im Himmlischen Jerusalem sind, sondern, wenn sie inkarniert sind, ganz konkret im Hier und Jetzt mit ihren Schülern arbeiten. Dabei nutzen sie teilweise ganz einfache psychologische Wahrheiten. So erklärt Moreward Haig Scott einmal seine Vorgehensweise mit den Worten: „Es gibt zwei Wege, Menschen zum Nachdenken zu bringen: Der eine ist, zu schreien – was selten willkommen ist –, der andere ist, eine verborgene Wahrheit so zu bringen, als spräche man über die selbstverständlichste Sache auf Erden.“ Scott schildert dann immer wieder herrliche Situationen, in denen sein Meister die sogenannte „feine Gesellschaft“ mit seiner unorthodoxen Art aufrüttelt, indem er geschickte Tabu-Brüche begeht und die Menschen durch seine Offenheit gleichsam wie in einen Spiegel blicken lässt. So versucht er einem ehemaligen Major der englischen Armee, der von seiner Frau „betrogen“ wurde und sich, wie sollte es anders sein, in „seiner Ehre gekränkt fühlt“, eine tiefere Dimension von Beziehung zu erklären – und der Leser merkt, wie viel Major auch in ihm steckt! „Lieber Freund, die Wurzel fast aller Schwierigkeiten ist das Besitzdenken, das Mein-und-dein-Denken. In Ihrem Fall gilt dies ohne Zweifel, aber auch in vielen anderen Fällen. In Ihrem Herzen sagen Sie zu sich selbst: „Sie ist meine Frau“, und übersehen dabei, dass weise unterschieden werden muss, dass sie – wenngleich sie Ihre Frau sein mag – selbst Seele und Körper nicht völlig und unleugbar Ihr Eigentum sind. Zu wünschen, dass sie dies sein sollte, ist wirklich so aussichtslos wie der Wunsch, Sonne oder Mond zu besitzen – da die Seele eines Menschen nur diesem selbst und niemandem sonst gehört. …

Außerdem – was ist Ihr Kummer wirklich noch wert, wenn Sie sich die Mühe machen zu versuchen, seine eigentliche Ursache zu betrachten? Ist etwa der Austausch eines Kusses hier und da wert, sich so zu ärgern, und ist das rein Körperliche, das in den Augen der Welt so viel Bedeutung erlangt hat, in Wirklichkeit nicht unendlich viel weniger als die Liebe der Seele und das Zugehörigkeitsempfi nden, das sich kaum je um das Physische kümmert?“

Cyrill Scott: „Wer versucht, Advaita zu lehren und alle Sanskrit-Begriffe außer Acht lässt, beschwört sein Scheitern herauf. Sanskrit-Worte enthalten eine geheime Schwingung, die verlorengeht, wenn man sie übersetzt.“ Das Foto aus den Jahren 1862/63 zeigt einen Pundit mit seinen Schülern vor Sanskrit-Verszeilen aus der Bhagavad Gita.

Doch in den Jahren seiner Schülerschaft erfährt Scott vom „Eingeweihten“ nicht nur Wegweisendes für den persönlichen spirituellen Pfad, sondern er gewinnt auch Einblick in die großen Zusammenhänge der Geschehnisse auf Erden, im großen LEBENSPLAN, den die Meister der Weisheit entworfen haben. In diesem Zusammenhang kommt es etwa bei einem Treffen zu einem Gespräch über die Mission und das Wirken Krishnamurtis, das außerordentlich spannend und erhellend zu lesen ist. Die Meister schildern Krishnamurtis Einweihung und seine vorgesehene Aufgabe, von der er, nach ihrer Überzeugung, später abwich, was schwerwiegende Konsequenzen zur Folge hatte. Dabei achten sie keinesfalls die Größe Krishnamurtis gering, sondern zeigen nur die Probleme auf, die aus seiner „Lehre“ entstanden sind. „Wer versucht, Advaita zu lehren und alle Sanskrit-Begriffe außer Acht lässt, beschwört sein Scheitern herauf. Sanskrit- Worte enthalten eine geheime Schwingung, die verlorengeht, wenn man sie übersetzt. Westliche Worte sind nicht geeignet, um subjektive Bewusstseinszustände zu beschreiben, weil ihre Assoziationen hauptsächlich weltlich sind. Mein Bruder Koot Hoomi hat wohl gesprochen, als er sagte, dass Krishnamurti all die vielen Treppen zu Gott zerstört hat, während seine eigene nicht bis ans Ziel führt.“ Ein wenig später ergänzt er noch zwei Gefahrenmomente, welche die Meister im Zusammenhang mit Krishnamurtis Wirken sahen: „Gefahr Nummer eins: Krishnamurti verwirft altehrwürdige Defi nitionen und Klassifi – zierungen und lässt so den geistig Strebenden ohne echte Maßstäbe und Wertvorstellungen. Gefahr Nummer zwei: Das Beschreiben seines speziellen Weges verlangt nach dauernder Meditation, die wiederum den ständigen Schutz eines Gurus notwendig macht – und Gurus werden von Krishnamurti nicht erlaubt. … Kinder schreien in der Nacht geistiger Verdunkelung, und keiner hilft ihnen … Der, der helfen könnte, tut es nicht, und wir, die helfen möchten, können es nicht, denn Zweifel hat ihren Glauben an unsere Existenz vergiftet. Kein Wunder, dass Koot Hoomis Züge etwas traurig aussehen.“

So gehören die drei Bände mit der Lebensgeschichte des „Eingeweihten“ für spirituell interesierte Menschen sicherlich zum Inspirierendsten und zugleich Unterhaltsamsten, was das 20. Jahrhundert an spiritueller Lektüre hervorgebracht hat – tiefsinning, überaus spannend und eine schier unerschöpfl iche Quelle der Inspiration!

BUCH-TIPP
Scott, Cyrill
Der Eingeweihte, Band 1
288 Seiten, € 17,95
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BUCH-TIPP
Scott, Cyrill
Der Eingeweihte, Band 2
216 Seiten, € 16,95
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BUCH-TIPP
Scott, Cyrill
Der Eingeweihte, Band 3
168 Seiten, € 14,95
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