Zeitlose Weisheiten in der Sprache unserer Zeit: In einhundert kurzen Texten und mit erfrischend klaren, einfachen und zeitgemäßen Worten entfaltet der bekannte deutsche Zen-Meister Zensho W. Kopp die Lehre des Zen: „Es geht im Zen darum, alles loszulassen, um alles auf einer neuen Ebene zurückzuerhalten… Nur indem wir leer werden von unseren Neigungen und Begierden nach den Dingen, lösen wir uns von unseren Anhaftungen. Das ist es erst, was uns wirklich frei macht, selbst wenn wir viele Dinge besitzen.“ So erklärt er beispielsweise in dem Aphorismus „Leerwerden“ und aus einem anderen Blickwinkel in „Absolute Gegenwart“: „Hänge nicht fest in der Vergangenheit und grüble nicht über die Zukunft nach … Du brauchst dich nur auf die unmittelbare Gegenwart des Jetzt einzulassen.“
Es sind jeweils nur wenige Sätze, die aber sofort und für jeden auch ohne große Vorkenntnisse verständlich auf die Essenz der Zen-Lehren verweisen. Dabei verschweigt Zensho nicht die alltäglichen Gefahren spiritueller Praxis – etwa wenn Übungen und Werkzeuge drohen, zum Selbstzweck zu werden und man das eigentliche Ziel aus den Augen verliert: „Die Zeiten der Meditation in der Stille sind eine unerlässliche Voraussetzung und Vorbereitung zur aktiven Meditation … Doch sollte man sich stets bewusst sein, dass der Sinn jeder Übung darin besteht, die Übung letztlich zu übersteigen, um zu einer Seinsverfassung jenseits aller Übung zu gelangen.“ Nicht nur im äußerlichen Formalen kann sich der Praktizierende verlieren, sondern auch im inneren Prozess, wenn das erste Überschreiten des Selbst zum neuen Ego-Problem wird: „Wenn ein Mensch in seiner Zazen-Praxis „Makyos“, das heißt Visionen und sonstige Phänomene erlebt, dann ist das zwar ein Hinweis auf einen geistigen Transformationsprozess … Aber so wie man sich an derartige Erlebnisse festklammert, in dem Augenblick werden sie zu gefährlichen Fallgruben, die einen weiteren Fortschritt auf dem geistigen Weg verhindern.“ So erklärt Zensho in dem Text „Fallgruben“. Das eigentliche Ziel gewinnt der Zen-Praktizierende erst, in dem er sich selbst ganz verliert: „Auf der Suche nach dem göttlichen Sein geht der Suchende sich selbst verloren. So paradox es sich anhören mag: Wir können unser wahres Selbst nur erfahren, wenn es niemanden mehr gibt, der es erfahren könnte. Wer alles aufgibt, dem wird alles zurückgegeben als die göttliche Wirklichkeit selbst, die stets gegenwärtig als das ewige „Ich bin“ hinter den Erscheinungen verborgen ist.“
Jeweils auf einer Seite zeigt Zensho so in seiner neuen Sammlung von prägnanten 3-4 Sätze langen Aphorismen auf, wie man das aktive Leben in der alltäglichen Welt beibehalten und doch auf dem spirituellen Weg voranschreiten kann. Als einer der bedeutendsten Zen- Meister der Gegenwart unterweist Zensho W. Kopp heute in direkter Dharma-Nachfolge von Zen-Meister Soji Enku (1908-1977) im Wiesbadener Zen-Zentrum eine große Gemeinschaft von Schülern. Einmal im Monat leitet er ein zweitägiges Zen-Wochenende, an dem auch interessierte Gäste teilnehmen können.