Frau im Bliss

Bliss: Die höchste Form des Glücks

Im Grunde sucht doch jeder Mensch nur nach diesem tiefen Gefühl des Glücks. Jeder hat dabei seine eigene Herangehensweise und auch seine eigene Interpretation von Glück. Doch tief im Innern ähnelt sich die Essenz, das Gefühl des Zustands, der gesucht wird. Mit »Glückseligkeit« lässt sich dieser halbwegs passend bezeichnen; das englische »Bliss« klingt da jedoch um einiges moderner und weniger verstaubt. Genauso schwer wie die Eingrenzung des Zustands auf ein Wort ist, so kompliziert gestaltet sich auch die Suche nach ihm.

Frau im BlissAuf der Suche nach dem Glück begegnet uns vieles, was wir im ersten Moment oder für eine Zeitlang als das Ziel unserer Suche ansehen. Doch wie oft entpuppt sich das Gefundene als trügerische Illusion, als flüchtig und nicht anhaltend. Weder materielle Schätze noch menschliche »Schätzchen«, weder Macht noch Ruhm können uns dauerhaft glücklich machen. Dass das Glück und die Erfüllung nicht im Außen zu finden sind, das muss wohl jeder irgendwann erkennen.

Das Glück im Innern suchen

Es ist genau dieser Punkt auf dem persönlichen Weg, an dem sich viele Menschen der Spiritualität zuwenden, nach innen gehen, um sich selbst zu erforschen, und infolgedessen außen die Schleier lüften, die sie der Welt und deren Erscheinungen selbst übergeworfen haben. Die Schleier der Illusion, die, gewoben aus Erwartungen, Versprechen, Mythen und schlichten Lügen, unsere klare Sicht auf die Dinge verhindern, scheinen sich dabei immer wieder hartnäckig vor unsere Linse zu legen. Unsere dafür verantwortlichen Verhaltens- und Denkgewohnheiten sind so tief in uns eingeprägt, dass sie nur mit größter Aufmerksamkeit überhaupt erkannt werden. Von der Gesellschaft werden diese Gewohnheiten zudem gefördert. Wer z.B. nicht nach den üblichen Glücksformeln strebt, wird schnell als Langweiler oder Außenseiter abgestempelt.

Doch hat man einmal gemerkt, dass man das Glück immer an der falschen Stelle sucht – weil die Erfahrung zeigt, dass es einfach nicht glücklich macht, was da zu finden ist –, dann muss man sich allein auf den Weg machen und der eigenen Intuition voll vertrauen. Glück zu finden ist etwas, das in uns selbst – und nirgendwo sonst – stattfinden kann. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck verzweigen sich die Wege der Suchenden hier wieder in alle Richtungen: nach Osten, nach Westen, ins Reich der Natur oder des Übernatürlichen, zu den Wurzeln der Traditionen oder den Sternen anderer Intelligenzen u.v.m. Wir sind von Natur aus so unterschiedlich, wie kein Sandkorn dem anderen gleicht, deshalb ist es nur verständlich, dass kein Weg dem anderen gleichen wird.

Es ist gut, einfach nur glücklich zu sein. Es ist ein wenig besser, zu wissen, dass man glücklich ist. Aber sein Glück zu verstehen, zu wissen, warum und wie man glücklich ist, und immer noch glücklich zu sein, glücklich im Sein und im Wissen – nun, das ist mehr als Glück. Das ist Bliss. Henry Miller, amerikanischer Autor (1891–1980)

Die Wissenschaft vom Glück

Bei all der Verschiedenheit der Ansätze, wie man glücklich sein kann, haben die Menschen aber auch immer wieder den Versuch unternommen, die universellen Wahrheiten aus allen spirituellen und philosophischen Lehren zu extrahieren. Der bekannteste Versuch wurde dabei von Aldous Huxley, dem britischen Schriftsteller, unternommen. Er sammelte und verband in seiner »Philosophia perennis«, der »ewigen Wahrheit«, die Erkenntnisse der wichtigsten geistigen Traditionen und stellte deren gemeinsame Grundzüge heraus.

Dieses Werk, das die Essenz der bedeutendsten Lehren wie die Vision eines Bildhauers aus dichten, Jahrtausende alten Versteinerungen herauszumeißeln vermochte, ist immer wieder lesenswert und lehrreich. Doch wer meint, mit einem lediglich intellektuellen Ansatz wäre es getan, der hat sich – wieder einmal – getäuscht. Genauso erging es vielen Wissenschaftlern, die sich ausgiebig mit den ewigen Wahrheiten befasst haben. Irgendwo, an irgendeinem Punkt, scheinen sich die ganzen Gedankengänge gegenseitig zu blockieren, weil immer wieder neue Fragen auftauchen, die auf die übliche wissenschaftliche Art nicht bewiesen werden können. Ein persönlicher Nutzen, ein Vorankommen auf dem Weg zum Glück wird so vereitelt.

So kommt es, dass vieles aus dem Zusammenhang gerissen wird, während eigentlich das Verstehen des vollständigen Bildes erforderlich wäre. Genau das bestätigt auch ein Wahrheitssucher, der von sich behauptet, Glückseligkeit gefunden zu haben. Der Amerikaner, Sean Meshorer, der von der Suche nach dem Sinn des Lebens zur Erlangung eines Zustands jenseits von Glück oder Unglück gelangte, hat über Glückseligkeit bzw. »Bliss«, ein ganzes Buch geschrieben. Der Autor war 20 Jahre auf der Suche und musste sich mit zahlreichen Hürden auf seinem Weg abmühen. Aus diesem Grund, erzählt er, habe er sein Wissen und seine Erfahrung als »Das Bliss-Experiment« zu Papier gebracht, damit es andere vielleicht leichter haben würden.

Ein schmerzhafter Weg

Der einstige Harvard-Student, der Philosophie und Religionswissenschaften studierte, musste einige schwere Lebensprüfungen bestehen, ehe er den Unterschied zwischen Glück und Glückseligkeit, Leiden und Schmerz erkannte. So wachte er eines Morgens mit heftigen Schmerzen in der ganzen rechten Körperseite auf. Eine Dysfunktion des Kreuzbeingelenks bescherte ihm chronische Schmerzen, die ihn von da an nicht mehr verlassen sollten. Auch wenn er seine physische Bewegungsfreiheit wiedererlangte, so musste er lernen, mit dem Schmerz umzugehen, ohne zu leiden, denn auch heute noch ist er keineswegs beschwerdefrei.

Ihm ist es wichtig, dass der Leser versteht, dass zwischen Vergnügen und spiritueller Freude ein gewaltiger Unterschied besteht. Und das gelingt ihm in seinem Buch vorzüglich. Jedes Kapitel enthält die Geschichte eines Menschen, der etwas Gravierendes erlebt hat, das ihn letztendlich »Bliss« ein Stück näher gebracht hat. Darauf folgen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Untersuchungen, die das Vermittelte stützen. Abschließend geht Sean auf die spirituelle Ebene der Thematik ein und lädt die Leser ein, das jeweils Gelesene in einem Experiment nachzuvollziehen. Wer die Übungen konsequent mache, so verspricht Meshorer, werde seine persönlichen Lebensumstände garantiert verbessern.

Um Bliss überhaupt einschätzen zu können, führt der Autor eine »Glücksskala« ein. Diese reicht von der untersten, am wenigsten befriedigenden Form von Glück bis zu Bliss und setzt sich zusammen aus: Betäubung, Vergnügen und Genuss, Erleichterung (falsches Glück), Alltagsglück und Bliss. Jeder kennt wohl die weniger dauerhaft befriedigenden Glücksformen. Die üblichen Glücksversprechen, die in unserer Gesellschaft propagiert werden, beziehen sich sogar hauptsächlich auf die unteren Abschnitte der Glücksskala. Dinge wie Ruhm, Macht, Schönheit, Luxus, Geld, Liebe, Sex, führen jedoch, wie Sean Meshorer anhand etlicher Beispiele zeigt, nicht zu wahrem Glück. Vielmehr ist jedes dieser Ziele von einem Automatismus geprägt, der sich darin äußert, dass auf eine Aufwärtskurve immer eine proportional gleich große Abwärtskurve folgt. Die Peaks sind dabei Ausnahmen, für die es scheinbar einen Ausgleich geben muss – als schlage das Pendel der persönlichen Lebensanzeige in solchen Zeiten zu weit aus und müsse sich wieder ins Gleichgewicht bringen.

Falsche Glücksversprechen

  • Studenten, die in erster Linie nach gutem Aussehen, materiellem Wohlstand oder Ruhm strebten, waren generell deutlich weniger glücklich als diejenigen, die nach innen gerichtete und erhabenere Ambitionen hatten.
  • Diejenigen, die auf Schönheit oder Berühmtheit aus waren, waren nicht nur vergleichsweise weniger glücklich, sondern diese Ziele konnten auch als Quelle ihres Unwohlseins identifiziert werden.
  • Sie brauchten nur ein Jahr nach Schönheit und Ruhm zu streben, um einen wesentlichen Verfall ihres Glücks zu bewirken.

(Aus »Das Bliss-Experiment«)

Die Dauerhaftigkeit eines glücklichen Zustands wird uns auch noch aus einem anderen Grund vereitelt. Dass wir am ersehnten Liebespartner oder dem neuen Auto nicht lange Freude haben, liegt an der sogenannten »hedonistischen Adaptation«, wie Wissenschaftler die schnelle Gewöhnung an positive Eindrücke nennen. »Sie ist nicht nur in Zusammenhang mit direkten sensorischen Vergnügen wie guten Gerüchen, schönen Bildern oder Klängen zu beobachten, sondern auch in allen äußeren Umständen, einschließlich denen, die das ganze Leben verändern«, erklärt Meshorer. Eine neue Beziehung erzeugt dann eine zeitweilige Glückswelle, die wieder abflaut, wenn wir uns an das Neue gewöhnt haben.

Lottogewinner und Unfallopfer

Eine bahnbrechende Studie, die unter dem Titel »Lottogewinner und Unfallopfer: Ist Glück relativ?« im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht wurde, zeigt außerdem, dass hedonistische Adaptation auch auf sehr viel tieferen Ebenen wirkt. Die Forscher untersuchten drei Gruppen von Menschen: Lottogewinner, Unfallopfer, die auf tragische Weise querschnittsgelähmt wurden, und eine Kontrollgruppe von Menschen, die neutral waren. Wie vorauszusehen war, ergab die Studie, dass die Lottogewinner in den ersten paar Monaten nach dem Gewinn einen starken Anstieg ihres Glücksniveaus erlebten, während das Glücksniveau der Unfallopfer dramatisch sank. Erstaunlich ist, dass nach etwa einem halben bis einem Jahr das Glücksniveau derer, die im Lotto gewonnen hatten, auf das Ausgangsniveau zurücksank – in manchen Fällen sogar noch tiefer. Dagegen hatten sich die Unfallopfer mit ihren neuen Lebensumständen abgefunden und ihr Glücksniveau hatte sich vollständig erholt oder gar verbessert.

Statistiken zum Thema Sex zeigen ebenfalls deutlich, dass typische Glücksversprechen nicht langfristig halten, was sie versprechen. Der radikale Anstieg sexueller Aktivität z.B. geht mit einer Verminderung der allgemeinen Lebenszufriedenheit einher. Studien zeigen, dass besonders Frauen seit den 1970er-Jahren trotz einer enormen Steigerung ihrer sexuellen Aktivität mit entsprechend vielen Partnern von einem sich permanent vermindernden Wohlbefinden berichten. Und laut einer Studie von 2004, veröffentlicht im Scandinavian Journal of Economics, sind Menschen mit nur einem Sexualpartner, die regelmäßig, aber nicht allzu häufig Sex haben, glücklicher als Menschen, die häufig Sex mit vielen Partnern haben.

»Die Erfüllung unserer Wünsche führt nie dazu, dass wir keine mehr haben. Vielmehr werden sie dadurch immer stärker.« Sean Meshorer

Auch Macht erzeugt kein dauerhaftes Glück. Forscher haben übereinstimmend festgestellt, dass zu viel Macht in einem Unternehmen gravierende negative Folgen für die Machtausübenden selbst hat. Studien ergaben, dass Macht Menschen eitel, egoistisch und auf trügerische Weise selbstbewusst macht. Sie fangen an zu glauben, dass sie allein kraft ihrer Position klüger und besser sind als die anderen. Das führt dazu, dass sie schlechte Entscheidungen treffen und schwere Fehler machen, während sie sich auf persönlicher Ebene mehr und mehr isolieren.

Drei Dinge zu »Bliss«

Sean Meshorer zufolge sind drei Dinge – Glück, Lebenssinn und Wahrheit – absolut gleich wichtig für die Erlangung des Bliss-Zustands. Eins kann ohne das andere nicht wirklich erfüllend wirken. »Bliss ist der Zustand, in dem Glück, Lebenssinn und Wahrheit zusammenkommen«, sagt er. Um zu Glückseligkeit zu gelangen und unseren inneren Diamanten aus dem Rohgestein unserer verfestigten Persönlichkeitsschichten zum Vorschein zu bringen, ist ein Prozess der Reduktion und des Loslassens nötig. Das kann ein lebenslanger Prozess sein, bei dem wir besonders unseren stetig denkenden Geist zügeln müssen.

Sean Meshorer bietet hierzu viele Übungen und Experimente an, die allesamt die Achtsamkeit, die Bewusstheit und das Mit-sich-ehrlich-Sein fördern. Allein schon die Konzentration auf ein gründliches konstruktives Denken z. B. macht einen großen Unterschied in unserem Leben, was bereits zum erwähnten »Alltagsglück« führen kann, der Vorstufe von Bliss. »Bevor wir die tiefere Ebene von Bliss ausfindig gemacht haben, ist Alltagsglück oft das Beste, was wir haben können«, sagt Sean dazu. Für den Zugang zu Bliss ist jedoch noch weniger nötig, im Grunde ein völliges Nichthandeln. Wir müssen lernen, einfach zu sein, statt zu tun. Bliss ist das, was bleibt, wenn alles Äußere und Vergängliche verschwindet, ein Zustand der Einheit mit allem – reines Bewusstsein eben.

Sean Meshorer
Nach seinem Abschluss in Philosophie und Religionswissenschaft lebte Sean Meshorer 15 Jahre in einem Yoga-Ashram. Viele Jahre lang war er Verleger spiritueller Bücher. Heute arbeitet er erfolgreich als Meditations- und Yogalehrer und ist Pfarrer einer Gemeinde, die die grundlegende Einheit aller Religionen betont. Der Autor lebt und arbeitet in Los Angeles und hält weltweit Vorträge und Workshops.

Buch-TIPP
Sean Meshorer
Das Bliss-Experiment. Nur 28 Tage, um für den Rest des Lebens glücklich zu sein

464 Seiten, € 19,95
ISBN: 978-3-941837-44-7
Trinity