Stille, Lösung, Dankbarkeit

Yoga als physische Disziplin wurde ursprünglich als Mittel eingesetzt, um den Körper zu stärken und damit die spirituellen Herausforderungen der Meditation leichter meistern zu können. Heute umfasst die Asana-Praxis hunderte von Haltungen und steht für eine Art Meditation, die durch die Konzentration auf den Körper entsteht. Sie weckt unser Bewusstsein für Verspannung und Instabilität, welche in unserer Psyche ihren Ursprung haben.

Der wahrscheinlich wertvollste Schatz der menschlichen Natur ist unsere Fähigkeit der Bewusstheit. Sie ermöglicht es uns, uns selbst zu erkennen und zu lernen, dass wir mit Situationen im Leben auf unterschiedliche Weise umgehen können. Unsere Fähigkeit zu Selbsterkenntnis ist der Schlüssel, um Unstimmigkeiten zwischen dem inneren und dem äußeren Erleben zu harmonisieren. Yoga ist eine wunderbare Gelegenheit, den Grad unserer Bewusstheit zu erhöhen. Wenn wir uns mit größtmöglicher Hingabe der Yoga-Praxis widmen, uns wirklich Zeit für sie nehmen, dann können wir viele Unstimmigkeiten in uns harmonisieren und sogar heilen.

Während der achtsamen Yoga-Praxis lösen wir Spannung auf, verbessern unsere Stabilität und regulieren unsere Atmung. Anspannungen in unserem Körper sind nur Ausdruck unserer Gedanken und Gefühlszustände. Mit der gleichzeitigen Körper- und Bewusstseinsarbeit beim Yoga arbeiten wir auf beiden Ebenen – der physischen und der energetischen –, die uns einem ganzheitlichen Wohlbefinden näher bringen. Die drei Aspekte – physische Praxis, Selbsterkenntnis und die Aufgabe hin zu dem, was Yogis »müheloses Sein« nennen – fließen zusammen, um aus Yoga letztendlich eine spirituelle Praxis zu machen.

Wenn wir die Kunst der Aufmerksamkeit in unsere Praxis mit einbeziehen, so werden all die verschiedenen Positionen, die unter »Yoga« zusammengefasst werden, zu einem kraftvollen Weg für einen klaren Geist und ein offenes Herz. Die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen, sie dabei nicht zu bewerten, gibt uns die Möglichkeit, unsere Beziehung zu uns selbst zu transformieren. Wir beginnen, uns wieder voll und ganz zu akzeptieren und zu lieben.

Die Amerikanerinnen Elena Brower und Erica Jago haben die verschiedenen Ebenen des Yoga gleichermaßen studiert. Ihre Begeisterung haben die Yoga-Lehrerinnen zu einem kunstvollen und inspirierenden Buch zusammengefügt. Mittels wunderschönen Fotografien, traditioneller und moderner Weisheit und praktischen Schritt-für-Schritt-Anweisungen, die von witzigen Strichmännchen untermalt werden, geben sie sowohl Studenten als auch Lehrern konkrete Werkzeuge an die Hand, um sich mit den tieferen Aspekten des Seins zu verbinden, präsenter und mitfühlender zu werden.

Grafikerin Erica Jago hat dabei ein sehr ansprechendes Design gefunden, um die Inhalte von Elena Browers Online-Yogaklassen zu präsentieren. In fünf Kapiteln werden Sequenzen von Yogaübungen zu unterschiedlichen Themen vermittelt, die wunderschön in Szene gesetzt sind und sowohl das Auge als auch die spirituelle Ebene des Herzens berühren. Die Autorinnen laden ein, innezuhalten, zu genießen, zu reflektieren, offen und empfänglich zu werden – besonders für die Stimme des eigenen Herzens.

Das Vorwort eines jeden Kapitels wurde von Gästen geschrieben. So kommen Linda Sparrowe, Chefredakteurin Yoga International, MC Yogi, Hip Hopper und Yogi, Gabrielle Bernstein, Coach und Autorin, Donna Karan, Modedesignerin, zu Wort, um die Essenz der jeweiligen Sequenz zu übermitteln. Auch das Model Christy Turlington Burns erzählt etwas zum Thema »Dein Leben als Spiegel deiner Yogapraxis«, und Schauspielerin Gwyneth Paltrow eröffnet das Kapitel über das uns innewohnende Potenzial.

Inspiriert wurden die Yoga-Sequenzen durch das Studium der Yogaphilosophie, der Handel-Coaching-Methode, verschiedenen Traditionen des Hatha Yoga und die Lehren des Vierten Weges, die uns gezielt zur inneren Arbeit führen. Die Übungen sind in drei Bereiche unterteilt: SANKALPA erklärt die Absicht der Übung. Die DREI WELLEN-SEQUENZ hat eine spezielle Öffnung im Körper während der Übungsfolge zum Ziel. Mit dem AUFWACHEN schließt die Yogasequenz ab. Die leeren Seiten am Ende jedes Kapitels möchten dazumotivieren, persönliche Notizen, Intentionen und eigene Sequenzen festzuhalten.

Die Asanas öffnen und erden den Körper. Die Disziplin für die physiche Praxis – TAPAS in Sanskrit – ermöglichen es uns, die Weisheit des Körpers zu erschließen und auf diesem Weg zu Vertrauen, Respekt und schließlich zu Heilung zu gelangen. Während wir uns unserer physischen Form bewusster werden, werden wir dazu eingeladen, auch unsere Handlungen und Aktionen zu reflektieren. Dieses Konzept von SVADHYAYA – Selbst-Erforschung – hilft uns dabei, die Muster und Gewohnheiten zu identifizieren, die uns in bestimmten Gefühlen festhalten. Wir lernen, Erfahrungen mit Akzeptanz zu betrachten, ohne zu werten. Zu diesem Zweck beschäftigen sich zwei Sequenzen in Elenas und Ericas Buch z.B. damit, Schuld und andere selbstzerstörerische Gedanken und Gefühle loszulassen und zu vergeben.

Wenn wir unsere Ängste und Unsicherheiten loslassen, und unsere wahre Natur annehmen, so erkennen wir, wie schön das Leben sein kann. Im Zustand des Vertrauens – ISHVARA PRANIDHANA – kultivieren wir einen Geist, der uns die göttliche Essenz in allen Wesen erkennen lässt, auch in uns selbst. Yoga kann also in all unseren Handlungen gelebt werden. Die Anhaftung an Resultate wird geringer, während die Dankbarkeit für den gegenwärtigen Augenblick immer öfter in unserem Empfinden vorherrscht.

Unsere Aufmerksamkeit zu trainieren bedeutet, nachsichtig und ehrlich mit uns zu sein. Dann können wir unseren Mitmenschen in der gleichen Weise begegnen. Nicht immer wissen wir, wie wir in manchen Situationen angemessen reagieren sollen. Wir vergessen, entspannt zu bleiben. Die Yoga- Praxis führt dazu, dass wir innerlich Raum schaffen. In den Übungen schaffen wir mehr Raum für die Atmung. Im Leben erreichen wir dadurch mehr Raum für Lebensqualität und Freude.

BUCH-TIPP