Frau

Sich selbst lieben, dann die Liebe leben

Auf dem Weg zur Liebe sollte man zunächst sich selbst kennen und lieben lernen – und dann den Partner, so der Diplom-Pädagoge Andreas Winter, der in seinem Ratgeber »Artgerechte Partnerhaltung« zeigt, wie man durch das Bewusstmachen eigener unbewusster Verhaltens- oder Gefühlsmuster Beziehungsprobleme lösen kann.

FrauHerr Winter, wie kommt es, dass Sie das große Thema »Partnerschaft« erneut aufgreifen?

Eine unglückliche Partnerschaft ist in unserer Gesellschaft häufiger anzutreffen als eine erfüllte. Nicht nur, dass wir hier ein ernstes gesellschaftliches Problem mit hohem Leidensdruck haben – eine unglückliche Beziehung kann die Ursache sein für Krankheitsanfälligkeiten und Verbrechen. Für mich als Gesundheitsberater ist es eine wichtige und dankbare Aufgabe, Auswege aus dem Unglück oder der Einsamkeit aufzuzeigen.

Was sagen Sie Leuten, die in einer unglücklichen Beziehung leben?

Meist halten sie sich für Opfer: Der Partner sei nicht verständnisvoll genug oder man selbst sei durch äußere Umstände oder was auch immer benachteiligt. Dass man oft genug selbst der Schlüssel zum eigenen Unglück ist und es deshalb auch selbst wieder zum Guten wenden könnte, auf diese Idee kommt kaum jemand. Ich führe mit den Menschen einen Perspektivenwechsel durch. Der amerikanische Psychotherapeut David Calof beschreibt, wie man in einer Hypnosesitzung sogar mit seinem Partner vorübergehend die Rollen tauschen kann, um ihn einmal wirklich kennenzulernen.

Was könnte Frau bei einem solchen Rollenwechsel mittels Hypnose, wie Sie ihn beschreiben, über ihren Mann erfahren, das für sie aufschlussreich wäre?

Sie erfahren, was Sie aus der eigenen Sichtweise nie hätten erfahren können und bekommen dabei einen direkten Zugang zu der Gefühls- und Gedankenwelt des Partners Sie begreifen, warum er z.B. nach Feierabend nicht sofort zuhören kann, was Sie ihm an emotionalen Erlebnissen des Tages referieren wollen. In einem solchen Rollentausch erfahren Sie, wie Ihr Partner wirklich denkt und fühlt. Oftmals verändert sich danach interessanterweise sogar sein Verhalten, obwohl er bei der Sitzung gar nicht anwesend war. Wir arbeiten gewissermaßen systemisch im gesamten Beziehungsgefüge. Ein solches Erlebnis repariert oftmals die kaputtesten Beziehungen.

Unkenntnis ist der Beziehungskiller Nr. 1. Wussten Sie z. B., dass ein Mensch mit Sternzeichen Wassermann oder Waage versucht, in einem Streit immer kontrolliert und sachlich zu bleiben, während hingegen ein Widder oder Schütze sein Gegenüber zu einer Reaktion provozieren möchte, damit sich aufgestaute Gefühle entladen können und die Luft wieder rein wird? Aufgrund von zwei völlig unterschiedlichen Konfliktstrategien kann es gehörig knallen. Wer das für Esoterik hält und abwinkt, der verspielt eine gewaltige Chance auf eine harmonische Partnerschaft.

Ist es ein individuelles Problem, ob man einen geeigneten Partner findet, oder Glückssache?

Richtig ist, dass das Problem sehr individuell ist. Jeder Mensch hat andere Vorlieben, doch auf einer bestimmten Ebene sind wir alle gleich: Wir wollen Erfüllung durch das Gefühl, uns im anderen wiederzufinden. Doch ist es genauso wenig Glückssache. Man zieht an, worauf man seine »Antennen« eingestellt hat. Bei einer komplexen Angelegenheit wie der Partnersuche wirken unsere unterbewussten »Suchmaschinen« im Hintergrund. Diese sind leider oft falsch eingestellt. Man kann sie aber »optimieren«, hierfür gibt es im Buch eine Audio-CD mit einem tiefenpsychologischen Coachingprogramm. Letztlich ist Liebe kein Zufall, sondern eine Frage der Resonanz, des Sich-aufeinander-Einschwingens.

Besonders Frauen klagen oft darüber, dass sie sich mit spirituellen Themen befassen, ihr Partner daran aber kein Interesse hat. Was kann man da machen?

Zunächst lohnt es sich hinzuschauen, ob es wirklich Interessenlosigkeit ist. Meist lassen sich nämlich gerade Männer dafür begeistern, allein mit der Kraft der Gedanken Parkplätze zu bestellen, beim Roulette zu gewinnen oder einen Computer zu beeinflussen. Allerdings wissen die meisten nicht, was Spiritualität ist und lehnen sie so aus Unwissenheit ab. Hinzu kommt: Männer brauchen für alles eine Erklärung. Die Angst vor Kontrollverlust hindert sie an der Beschäftigung mit Unerklärlichem. Frauen haben meist weniger Probleme damit, Dinge einfach hinzunehmen. Da spirituelle Phänomene noch nicht landläufig wissenschaftlich erklärbar sind, machen sie eben Angst. Doch mit Vergleichen wie etwa dem Schwarmverhalten von Fischen kann man sich physikalischen Phänomenen wie Teilchenverschränkungen – denn um die »Neue Physik« geht es ja bei der Spiritualität – nähern und etwas erklären. Eine Frau kann also ihrem Partner in seiner Logik erklären, warum Materie durch Information beeinflusst werden kann. Meist reicht es schon, ihm nach Ansage ein paar Sechsen hintereinander zu würfeln oder zu channeln, an welchem Wochentag sein 100. Geburtstag wäre.

Geisteswissenschaftliche Themen wie die Psychologie oder Astrologie werden ebenso aus Unwissenheit in die Esoterik-Schublade gesteckt, aber auch hier erreicht man eigentlich fast jeden, wenn man ihm begreiflich macht, welchen praktischen Vorteil man von dem Wissen hat. Wenn ein Mann versteht, wie man Pizza isst, ohne dick zu werden, raucht, ohne krank zu werden, den Chef zu einer Lohnerhöhung bewegt oder die Kinder dazu bringt, gute Noten zu schreiben, dann hat das eigentlich immer einen Reiz.

Wie kann man dauerhaft eine glückliche und sexuelle Beziehung aufrechterhalten?

Sex ist wichtig. Jeder Mensch erreicht durch Sexualität Glücksgefühle. So sehr, dass wir seit Hunderten von Jahren unseren Kindern den Sex aberziehen, damit sie nicht vor lauter Eifer zu früh Nachwuchs zeugen. Scheiterhaufen, Beschneidung, Steinigung – das alles sind Maßnahmen gewesen, Sexualität zu tabuisieren und somit Schwangerschaften zu verhüten. Jedes Kaninchen zeigt uns für dieses Verhalten einen Vogel, zumal wir Menschen künstlich verhüten können. Doch die Tabuisierung wird uns allen wohl noch ein paar Jahrhunderte in den Knochen stecken. Das sozialgeschichtlich krude Verhältnis zu Sex äußert sich dann in seltsamen Vorlieben: Die einen brauchen zum Sex Dunkelheit, die anderen eine Peitsche. Wieder andere kichern oder sind stumm wie ein Fisch, kommen zu früh, zu spät oder gar nicht zum Höhepunkt, schämen sich für ihren Körper oder trennen sich von ihrem langjährigen Partner, nur weil er mit jemand anderem Sex hatte – nach dem Motto: Lieber von vorn anfangen, als ein paar Kurskorrekturen vornehmen.

Zudem ist Sexualität auf Polarität angewiesen. Wenn jemand seine eigene Geschlechterrolle nicht annimmt, etwa weil er seine Maskulinität für eine Bedrohung oder sie ihre Femininität für eine Schwäche hält, turnt das den Partner ab. Ein magnetischer Pol wird nur den Gegenpol anziehen, das ist bei Sex genauso (ungeachtet des biologischen Geschlechts!). Erwartungsdruck ist ebenso ein Sexkiller. Wer vom Partner Sex erwartet, der wird dessen Libido damit einschläfern, weil das »Erfüllen-Müssen« keine Glücksgefühle bringt. Das Geheimnis, sowohl glücklich als auch sexuell aktiv zu bleiben, besteht auch darin, sich nicht zu stark zu binden und dem Partner damit immer das Gefühl zu geben, er sei der begehrte Auserwählte – nicht der aus Bequemlichkeit geduldete Kompromiss.
Es gibt natürlich noch einen wichtigen Faktor, um das Glück frisch zu halten: Lernen Sie Ihren Partner kennen! Der Hauptgrund für Trennungen sind Missverständnisse, die aus Projektion und Unwissenheit zustande kommen.

Wie soll man in der eigenen Beziehung glücklich sein, wenn man heute überall mit Idealisierungen oder Horrorgeschichten konfrontiert wird?

Ist das so? Märchenerzählungen wie: »Und sie liebten sich bis ans Ende ihrer Tage« oder von der ewig unzufriedenen Fischersfrau sind ja nicht neu. Wer sich zu stark an anderen orientiert, dem fehlt es meist an Selbstsicherheit. Das Wichtigste ist, sich selbst zu lieben. Wer sich selbst nicht für einen tollen Partner hält, wird dieses Prädikat erst recht nicht von jemand anderem bekommen. Die größte Horrorgeschichte ist meiner Ansicht nach eine erniedrigende Erziehung, die uns immer das Gefühl gibt, wir wären wertlos. Diese Erfahrungen formieren sich zu Glaubenssätzen und führen damit oft zu Überkompensation. Eifersucht, Misstrauen, emotionale Erpressung und Wut sind dann die Folge. Die eigene Beziehung ist eine Aktie, deren Wert man selbst steigert: durch Liebe.

Ist es wirklich so einfach?

Ja. Auf dem Weg zur erfüllten Partnerschaft sollte man zunächst sich selbst gut kennen- und lieben lernen – und dann den anderen. Aber davon abgesehen: Hatten Sie als Kind einen Teddy? Was musste Teddy tun, damit Sie ihn lieben? Nichts! Sie haben in ihm einfach etwas gesehen und ihn dafür geliebt. Liebe ist einfach, wenn man lieben will und nicht darauf wartet, geliebt zu werden! Es ist aber nicht ratsam, in einer aussichtslosen und vertrauenslosen Partnerschaft passiv zu verharren. In diesem Fall ist oft eine Trennung der Schlüssel zum Glück.

Was meinen Sie mit dem Satz: »Wir heiraten unsere Eltern«?

Als Kinder erleben wir oft, dass unser Verhältnis zu einem Elternteil gestört ist. Um diese »alte Baustelle« zu beenden, suchen wir uns dann als Erwachsene ganz unbewusst einen Partner, der mit jenem Elternteil einige negative Eigenschaften gemeinsam hat. So ziehen Frauen, die einen cholerischen, ungerechten Vater hatten, oft einen ebensolchen Partner an, nur um diesem dann zu zeigen, dass sie es doch wert sind, geliebt zu werden. Männer, die eine gefühlskalte und rigide Mutter erlebten, versuchen mittels einer perfektionistischen Partnerin aufzulösen, was die Mutter dem Sohn unwissentlich durch Liebesentzug angetan hat. Dass man mit solchen Partnern keine Erfüllung finden kann, sondern bestenfalls Absolution, liegt auf der Hand. Macht man sich dieses Muster bewusst, ändert sich auch die Affinität zu einem bestimmten Partner, und man kann den Menschen finden, mit dem man gemeinsam stark ist.

Was würden Sie einem Menschen empfehlen, der in einer festen, aber belasteten Beziehung steckt und diese nicht aufgeben will?

Gib deinem Partner eine neue Chance. Lerne ihn neu kennen, so als gäbe es ihn erst seit gestern. Verzeih ihm alles, als seist du frisch verliebt.

Andreas Winter
Andreas Winter
Der Diplom-Pädagoge Andreas Winter (geb. 1966) ist Gründer und Leiter des Institutes Andreas Winter Coaching. Seit 1987 arbeitet er mit Tiefenpsychologie sowie mit therapeutischer Hypnose, seit 2004 bildet er Hypnosetherapeuten aus; seine Klienten kommen aus ganz Europa. Andreas Winter ist Mitglied der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Er ist überzeugt, dass wir das Wissen um die Zusammenhänge in der menschlichen Psyche nutzen können, um uns selbst zu helfen.

Weitere Informationen
Andreas Winter auf Vortragstour:
10.03. bis 25.03.2014
Homepage

Buch-TIPP
Artgerechte Partnerhaltung
Andreas Winter
Artgerechte Partnerhaltung –
Lieben ohne Stress. Mit Audio-CD

200 Seiten, € 16,95
ISBN: 978-3-86374-136-5
Mankau Verlag