Jörg Rinne (HP)
Unsere Vorfahren aßen noch mehrmals in der Woche Hülsenfrüchte. Erbsen, Linsen und Bohnen waren wichtige Eiweißlieferanten für den Stoffwechsel und wesentlich billiger als alle Fleischprodukte. Jedoch hatten die Hülsenfrüchte einen großen Nachteil:
Sie verursachten häufig Blähungen. Jedes Böhnchen macht ein Tönchen. Daher kommen sie heute kaum mehr als Hauptmahlzeit auf den Tisch, lediglich als Beilagen lassen sie sich hin und wieder auf dem Teller finden.
Heute existieren ungleich mehr Möglichkeiten, sich eiweißreich zu ernähren. Viele setzen auf harnsäurehaltiges und stickstoffbildendes Fleisch und Wurst oder, wenn sie Vegetarier oder gar Veganer sind, auf den Eiweißlieferanten Soja.
Aber Soja ist ins in den letzten Jahren zunehmend ins Gerede gekommen und bei uns eigentlich auch nicht heimisch. Immer häufiger findet man gentechnisch verändertes Soja in den Lebensmitteln. Leider besteht nach wie vor keine Kennzeichnungspflicht. Einer Studie vom WWF zufolge findet man in 80% aller Sojaprodukten Gentechnik. Auch in Fleischprodukten findet sich die Gentechnik wieder. „Wer konventionell erzeugte Nahrung isst, muss davon ausgehen, dass die Tiere zuvor mit gentechnisch veränderten Soja gefüttert wurden.“ Warnt die WWF-Referentin Dr. Birgit Wilhelm.
So ist es an der Zeit sich auf die Suche nach einer neuen Pflanze zu begeben. Einer Pflanze die es nicht nötig hat, dass man sie gentechnisch verändert und die auf heimischer Erde wächst und somit nicht nur dem Konsumenten, nein, auch dem Bauern etwas Gutes tut. Und diese Pflanze gibt es, sie breitet sich schon seit Jahrhunderten über den Mittelmeerraum kommend aus: die Lupine.
Wir kennen sie als Zierpflanze aus dem Garten oder ihre wildlebenden Arten als „Unkraut“ am Wegesrand. Die normale Gartenlupine, früher auch Wolfsbohne oder Feigbohne genannt, gehört wie die Bohnen botanisch zur Pflanzengattung der Schmetterlingsblütler (Fabaceae), eine Unterfamilie der artenreichen Hülsenfrüchten (Leguminosen).
In rohem Zustand haben viele Vertreter der Hülsenfrüchte einen hohen Saponin- und Alkaloidgehalt, der sich beim einweichen oder Kochen reduziert, nur verarbeitet sind sie also genießbar. Genauso ist es bei den Lupinen. Dies beschrieb schon Hildegard von Bingen und setzte sie in Zubereitungen zur Heilung allerlei Krankheiten ein.
Man muss die Samen ziemlich lange wässern, um die Bitterstoffe und Saponine heraus zu schwemmen. Ein langwieriges Unterfangen, was auch nur einen Teil der Bitterstoffe entfernt. Reste dieser Reizstoffe bleiben bei diesen „Entbitterungsverfahren“ immer übrig, weswegen sich die Feigbohnen in den letzten Jahrhunderten nicht wirklich als Nahrungsmittel durchgesetzt haben.
In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gelang es jedoch dem Botaniker Reinhold von Sengbusch, die Reizstoffe durch gezielte Züchtungen aus den Lupinen zu entfernen und so eine neue Sorte zum Leben zu erwecken: die Süßlupinen.
Wer an dieser Stelle eine süß schmeckende Frucht erwartet, muss gleich eines Besseren belehrt werden. Ihren Namen tragen sie nur aufgrund dessen, dass sie ihre Bitterstoffe durch die Züchtung verloren haben.
Lupinen sind die klassischen Bodenverbesserer. Ihre Wurzeln lockern das Erdreich bis weit in die Tiefe auf, wenn sie mit ihrer Pfahlwurzen auf der Suche nach Wasser oder Nährstoffen sind. Man findet die kräftigen Pflanzen auf Bahndämmen, Straßenböschungen, oder wilden Wiesen. Man findet sie aber auch in den Gärten, wo sie unermüdlich Jahr für Jahr aufs neue erblühen. Auch der Bauer hat seine Freude an ihnen, Lupinen sind wertvolle einfach anzubauende Futterpflanzen und der Imker schätzt sie für seine Bienen.
Da die Lupinen sehr genügsam sind, werden sie in unserer Gegend eigentlich immer „ökologisch“ angebaut, glücklicherweise vertragen sie auch keinen Kunstdünger. Sie produzieren ihren Dünger in Form von Stickstoff selbst und die bei ihnen wirksamen Spritzmittel sind bei uns verboten.
Unbemerkt von den meisten Konsumenten hat die Süßlupine bereits einen „kleinen“ Siegeszug angetreten. Die Lebensmittelindustrie hat die Süßlupine nämlich schon seit geraumer Zeit entdeckt. Kleine Mengen Lupinenmehl befinden sich in glutenfreien Broten, Pizzateig oder Lebkuchen, ferner macht man aus den Samen Kaffee, Eis, Nudeln oder tofuähnliche Gerichte.
Wer auf Erdnüsse allergisch reagiert, der tut es wahrscheinlich auch auf Süßlupine. Wie alle Eiweiße, kann auch das Lupinenprotein allergische Reaktionen auslösen und die Eiweißverbindungen der Lupinen sind dem Eiweiß der Erdnuss recht ähnlich.
Alle für den Menschen unentbehrlichen Aminosäuren, sind in der Lupine in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden. Das Lupineneiweiß ist also von seiner Zusammensetzung her besonders hochwertig.
Der Fettgehalt ist mit vier bis sieben Prozent geringer als bei Soja und besteht zu einem Großteil aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die unter anderem Entzündungen entgegenwirken.
Da die Lupinensamen reichlich Carotinoide und Vitamin E liefern, sind diese Fettsäuren gut vor Oxidation geschützt. Süßlupinenmehl ist absolut frei von Stärke und Gluten. Lupinenfrüchte haben auch einen hohen Anteil an Kalium, Kalzium, Magnesium und zweiwertigem Eisen.
Von Alters her, schreibt man den Lupinen krebshemmende, antioxidative und antimikrobielle Wirkungen zu.
Sie sind Nahrung bei Eiweißmangelkrankheiten, als blutzuckerneutrale Nahrungsmittel bei Diabetes willkommen, Hautkrankheiten, sogar bei Tumoren und Magenverstimmungen bis hin zum Magengeschwür sollen sie Hilfe leisten können.
Der überwiegende Teil der Lupinen wird zu Mehl verarbeitet. Vor der Mehlherstellung muss der Lupinensamen geschält werden. Dies geschieht unter Dampf, da sich hier die Schalen gut lösen. Der Schälvorgang führt dazu, dass die Bitterstoffe verschwinden und der Alkaloidgehalt sinkt. Anschließend werden die Lupinen vermahlen. Der Anteil von Lupinenmehl bei Backwerken sollte 15 Prozent nicht überschreiten, da man sonst die Lupinen im Gebäck herausschmeckt. Auf diese Weise konnte man schon in Kriegszeiten das Brot eiweißreicher und damit nahrhafter machen und man sparte so teures Korn ein.
Letztendlich, Lupinenmehl bindet viel Wasser, daher kann man sich die Eier in den Backwaren sparen und seine Inhaltsstoffe werten Roggen- und Weizenmehl auf. Wegen des hohen Gehaltes an Antioxidantien erhöht Lupinenmehl auch die Haltbarkeit von Backwaren. Wenn man mehr als 15% Lupinenmehl dem Teig beifügt, bekommen die Backwaren eine leichte Gelbfärbung und einen nussigen Geschmack.
Immer beliebter wird das Lupinentofu (Lopino). Die Lupinensamen werden hierzu etwa acht Stunden in Wasser einweicht und zu einer dickflüssigen Menge gemixt. Die proteinhaltige „Lupinenmilch“ kann anschließend abgepresst werden.
Erhitzt man jetzt die Flüssigkeit auf etwa 80 °C. erhält man nach 20 bis 50 Minuten eine flockige Masse. Die „Molke“ kann abgetrennt werden, der Brei wird entwässert und kann als Brotaufstrich verwendet werden.
In den Naturkostläden kennt man Produkte aus Lupinen, die Nachfrage ist steigend. Die Vorzüge, des hochwertigen und für den Menschen bestens verwertbaren Eiweißes sprechen sich langsam herum. Für Gichtkranke sind Lupinen ein Segen, da sie nicht so viel Harnsäure beinhalten wie die üblichen Hülsenfrüchte. Sie sind eine Alternative für Menschen die an Glutenunverträglichkeit leiden. Bei Diabetikern erhöhen die Lupinengebäcke durch ihren niedrigen glykämischen Index nicht den Blutzuckerspiegel.
Viele chronische Erkrankungen bis hin zum Krebs entstehen unter anderem durch eine Verschiebung des Säure-Basen-Haushaltes. Pflanzliches Eiweiß, wie es in Lupinen enthalten ist, wirkt basenbildend und damit chronischen Krankheiten entgegen.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Lupinen von der Allgemeinheit gerade erst entdeckt werden und als Nahrungsmittel noch eine großartige Zukunft vor sich haben.
Buchtipp:
Die Lupinen
Das Einweißwunder der Veganer
Jörg Rinne
Synergia Verlag, 2015, ca 120 S., mit Abbildungen
ISBN: 978-3-944615-24-0