und das Mysterium des Bewusstseins
Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann und seine wohl größte Entdeckung, die psychedelische Droge LSD, hatten einen unschätzbaren Einfluss auf unsere Kultur und die Erforschung des Bewusstseins. Kein Wunder, dass der inzwischen 102-jährige Forscher in einer Umfrage der britischen Tageszeitung „The Guardian“ im Jahr 2007 zum bedeutendsten lebenden Genie gewählt wurde.
„Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken; wär nicht im Stoff des Geistes Kraft, wie könnte Stoff den Geist verrücken,“ fragt Albert Hofmann in seinem Buch „LSD – Mein Sorgenkind“. Die Entdeckung der stärksten bekannten psychedelischen Substanz hat ihn zur Erforschung des Bewusstseins und zur Frage nach der „Wirklichkeit“ geführt.
„Wirklichkeit ist ohne ein erlebendes Subjekt, ohne ein Ich, nicht denkbar,“ erklärt Hofmann. „Sie ist das Produkt der äußeren Welt, des ‚Senders’, und eines ‚Empfängers’, eines Ich, in dessen innerstem Selbst die mittels der Antennen der Sinnesorgane registrierten Ausstrahlungen der äußeren Welt bewusst werden.“ Die Wahrnehmung unserer alltäglichen Wirklichkeit ist also auf die normierte Einstellung des „Empfängers“ zurückzuführen – eine Einstellung, die durch psychedelische Substanzen wie LSD (sowie durch Meditation und andere Techniken) verändert werden kann.
„In der Fähigkeit, den Empfänger ‚Ich’ auf andere Wellenlängen einzustellen und damit Veränderungen im Wirklichkeitsbewusstsein hervorzurufen, liegt die eigentliche Bedeutung von LSD und den ihm verwandten Halluzinogenen“, ergänzt er. „Dieses Vermögen, andere, neue Bilder der Wirklichkeit aufsteigen zu lassen, diese wahrhaft kosmogonische Potenz, macht auch die kultische Verehrung halluzinogener Pflanzen als sakrale Drogen verständlich.“
Hofmann spricht aus Erfahrung, denn immerhin war er es, der Ende der 50er Jahre als erster die wirksamen Prinzipien des mexikanischen Zauberpilzes „Teonanacatl“, isolierte und beschrieb. Es war nun klar, dass die Wirkung der Pilze nicht auf einem ihnen innewohnenden Gott zurückzuführen war, sondern auf zwei LSDähnliche Substanzen, Psilocybin und Psilocin. Die Zauberpilze waren entzaubert – oder doch nicht?
„Worin liegt der erkenntnismäßige Fortschritt, den die naturwissenschaftliche Forschung hier gebracht hat?“, fragt Hofmann und antwortet: „Eigentlich doch nur darin, dass das Rätsel um die Wunderwirkungen des Teonanacatl auf das Rätsel um die Wirkungen von zwei kristallisierten Substanzen zurückgeführt wurde, denn diese Wirkungen können auch von der Wissenschaft nicht erklärt, sondern nur beschrieben werden.“
Es ist dieser wache Geist, der Hofmann bis ins hohe Alter auszeichnet und es ihm nicht gestattet, sich auf einfache Erklärungen zurückzuziehen, die eigentlich gar nichts erklären. Es ist die Erkenntnis des Mysteriums, das ehrfürchtige Staunen im Angesicht des Geheimnisses. In einem Interview zu seinem 100. Geburtstag erklärt er dem Autor Mathias Broeckers: „Wir können nicht sagen, woher wir kommen – dass irgendeine Supermaterie am Anfang stand und dann knallte und den Raum erzeugte… das ist doch alles dummer Mist. Darüber wissen wir nichts, das ist das große Wunder. Aus unseren Erfahrungen können wir nur sagen: Es gibt Nichts, das aus Nichts entsteht, und Nichts, das zu Nichts zerfällt. Es gibt immer nur den Wandel. Und wenn man die Naturwissenschaft und alle ihre Entdeckungen weiter denkt, stößt man immer wieder auf ein Geheimnis. Ich habe unlängst eine CD mit den Vorträgen Einsteins gehört. Dort spricht er auch darüber und sagt wörtlich: ‚Das Schönste und Tiefste, was ein Mensch erfahren kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen.’ Wenn man in das Tiefste der materiellen Wirklichkeit vorstößt, wie Einstein es getan hat, stößt man unweigerlich auf das Wunder, auf das Geheimnisvolle. Weiter kommen wir nicht. Hier stoßen wir auf dasselbe Mysterium, das auch schon die Menschen in Eleusis erfahren haben.“
Hofmann ist überzeugt, dass bei den „Mysterien von Eleusis“ eine LSD-ähnliche Substanz zum Einsatz kam und den Adepten am Ende der initiatorischen Riten zur Erleuchtung verhalf. Und er betont ausdrücklich die Notwendigkeit zur intensiven Vorbereitung auf die psychedelische Erfahrung in einem spirituellen oder therapeutischen Rahmen, die nichts mit Drogenkonsum oder Wirklicheitsflucht zu tun hat.
Die psychedelische Erfahrung ist zunächst erschreckend und alles andere als angenehm. „Ja, man erschrickt“, betont Hofmann. „Man hat ein völlig anderes Bild und das kann einen furchtbar erschrecken. Deshalb sagen die Indianer ja: bevor ich den heiligen Pilz nehme, muss ich fasten, muss ich beten, muss ich rein sein – dann bringt mich der Pilz dem Göttlichen näher. Und wenn ich das nicht mache, tötet er mich oder macht mich wahnsinnig. Das haben die Indianer, lange bevor LSD und Psilocybin entdeckt wurden, gesagt – und die amerikanische Jugendbewegung, die es ja gut meinte, hat sich daran nicht gehalten, sie haben es zu oberflächlich genommen, sie haben sich nicht vorbereitet …“
In den 60er Jahren war es vor allem Timothy Leary, der den Massenkonsum von LSD propagierte und damit das globale Verbot von LSD heraufbeschwor. Hofmann kritisierte Leary später heftig und machte klar, dass es sich bei LSD nicht um eine Genuss- oder Partydroge handle, die man ohne Vorbereitung einnehmen könne. Genauso vehement wandte er sich gegen die Experimente der CIA, die damals zu „Forschungszwecken“ völlig ahnungslosen Versuchspersonen LSD verabreichte, wobei es zu einem folgenschweren Todesfall kam.
Dass LSD auch verantwortungsvoll eingesetzt werden kann, haben nicht zuletzt die Studien von Stanislav Grof belegt, der vor dem LSD-Verbot erstaunliche Erfolge bei der Therapie von Drogen- und Alkoholabhängigen verbuchte und LSD auch erfolgreich zur Schmerzlinderung und zur Sterbebegleitung bei Krebskranken im Endstadium einsetzte. Grof und andere Forscher wie Christian Rätsch plädieren heute für eine begrenzte Freigabe von Halluzinogenen zur Anwendung im therapeutischen Bereich, etwas das auch Hofmann befürwortet und – wie auf dem „Welt Psychedelik Forum“ im März 2008 in Basel – aktiv unterstützt.
Hofmann ist überzeugt, dass die Menschheit in Zukunft lernen wird, mit LSD und anderen Halluzinogenen verantwortungsvoll umzugehen, und hält an seiner Vision eines neuen Eleusis fest. „Wenn man überlegt, wie so ein modernes Eleusis aussehen könnte, dann wäre das zuerst ein Ort, eine schöne natürliche Umgebung, in der man Meditationsferien macht, wo man fastet, ruht und betet … sich vorbereitet. Und wo dann solche Substanzen ihrem Sinn entsprechend angewendet werden. Der Priester von Eleusis wusste, weil jeder einen Vorbereitungskurs machen musste, die richtige Dosierung für jeden einzelnen – und wir wissen ja heute eigentlich auch alles, um dafür zu sorgen, dass es nie einen schlechten Trip gibt.“
Ein Teilerfolg konnte unlängst verbucht werden: Ende 2007 erhielt ein Schweizer Psychotherapeut aus Solothurn die Erlaubnis der aargauischen Ethikkommission, LSD zu therapeutischen Zwecken versuchsweise zu benutzen, was Hofmann in einem TV-Interview als Erfüllung eines Traums beschrieb.
Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD – Auf dem Weg nach Eleusis
180 Seiten, € 23,90
ISBN: 978-3-03800-276-5
AT Verlag