Ich sah meine ersten Indianer in Brooklyn, New York, als ich ungefähr 6 Jahre alt war. Sie waren Mohawk Indianer, Hochbau- Stahlarbeiter, und bauten die Verazano- Brücke nach Staten Island. Ich fühlte mich sofort zu ihnen hingezogen. Obwohl sie ihre eigene Sprache sprachen und mir kaum Beachtung schenkten, war ich so oft ich konnte bei ihnen.
„Als die Erde erschaffen wurde, kamen die Götter aus dem Meer und begannen ihre Reise nach Wirikuta, der Wüste in den hohen Bergen. In dieser Zeit gab es keine Form, nur Kupuri, Lebenskraft. Vater Sonne, Takuyatsi, war noch nicht geboren. Tate Wari, Großvater Feuer, war sehr jung und seine Kraft war noch am wachsen. Während die Götter umherzogen, begannen sie ihre Existenz zu erträumen, um sich daran zu erinnern, wer sie waren. Sie beteten zu Tate Wari, dass er stark werde, damit er ihnen helfen könne, ihre Kraft und Form hier auf Mutter Erde zu finden.“ Don Josè Matsuwa, Huichol-Schamane |
Mit 15 Jahren wusste ich, dass ich nach Mexiko gehen wollte. Wie viele amerikanische Teenager in den Sechzigern hatte ich vom Peyote-Kult gehört. Eines Tages ging ich zur Bücherei, um mehr darüber heraus zu finden. Im Lexikon stand dazu: „siehe Huichols“, was ich wörtlich nahm. 1970, einen Tag nach meinem achtzehnten Geburtstag, startete ich mit diesem Ziel im Kopf und trampte nach Mexiko. Meinen ersten Halt machte ich in Ixtlan, der Stadt, die durch das Buch „Die Reise nach Ixtlan“ von Carlos Castaneda berühmt wurde. Dort hatte ich großes Glück: Ich traf einen Lehrer, der Huichol war. Die Huichols leben sehr zurückgezogen und nehmen Fremde nur dann auf, wenn sie ein Empfehlungsschreiben eines anderen Huichols haben. Das ist auch heute noch so. Die Dörfer sind so weit abgelegen, dass es für einen Fremden unmöglich ist, sie zu finden. Der Schullehrer willigte nach einigen Tagen und eingehender Prüfung meines Charakters ein, mir zu helfen. Er zeigte mir, in welche Richtung ich reisen solle und übergab mir das erforderliche Empfehlungsschreiben. Er erklärte mir, es jedem Huichol, dem ich begegnete, zu zeigen. Anderenfalls würde ich riskieren, von der Huichol-Lokalregierung aus der Gegend verwiesen und wegen unbefugten Eindringens in Gefangenschaft zu geraten.
So machte ich mich auf den Weg in das Herz der Huichol-Sierra. Dort wo die Straßen endeten, machte ich mich auf einen – wie ich annahm – Fünftagemarsch zu meinem Ziel. Ich hatte schon am Ende des ersten Tages meine gesamten Essens- und Wasservorräte aufgebraucht und die Sonne brannte auf mich nieder. Nachdem ich zwei weitere Tage Hirschpfaden durch steile Berge und tiefe Täler gefolgt war, hatte ich mich verlaufen und litt unter Wassermangel. Ich dachte an die Abenteuerbücher, die ich gelesen hatte; wie Indianer immer zur Rettung erschienen. Ich war sauer, dass niemand kam, um mir zu helfen und begann zu denken, die Huichols wären der Ausbund meiner Fantasie. Ich dachte an die Geier, die ich hoch oben fliegen gesehen hatte und weinte bei dem Gedanken, dass meine Familie nie erfahren würde, wo oder wie ich starb. Dann verlor ich das Bewusstsein.
Ich hatte meine erste Vision: Zuerst sah ich ein freundliches altes Gesicht, dasselbe sanft lächelnde Indianergesicht, das ich im Alter von vier Jahren während einer Ätherbetäubung für eine Operation gesehen hatte. Es folgte ein Kaleidoskop von wilden Bildern – sich drehende Kreise, Adler und Hirsche in schillernden Farben sowie eine Reihe von Symbolen, die ich bis dahin noch nie gesehen hatte. Plötzlich wurde ich wachgerüttelt. Verschwommen sah ich eine Gruppe von Huichol- Männern, die lachend über mir standen.
Ein „Nerika“ (Durchgang zum Raum der Götter), ein visionäres Garnbild der Huichol |
So begann eine Reihe von Visionen, die für mein Leben sehr wichtig waren. Denn es war ein Huichol-Schamane, der in seiner Vision sah, wo ich auf dem Pfad lag und der die Retter ausgesendet hatte. Für die nächsten zwei Wochen blieb ich in einem Dorf und kam wieder zu Kräften. Die Indianer erzählten mir von einem Schamanen aus einem benachbarten Dorf. Auch er hatte von mir geträumt, dass ich zu ihm kommen solle, um bei ihm zu lernen. So wurde ich zu Don Josés Ranch geführt, wo ich dasselbe Gesicht sah, das ich in meiner ersten Vision gesehen hatte. Ich fand, wonach ich gesucht hatte.
Während der folgenden 12 Jahre absolvierte ich zwei sechsjährige Lehrzeiten bei Don Josè und wurde als sein Enkel adoptiert – alles inspiriert durch Visionen. Während meiner Lehrzeit schickte mich Don José oft auf Visionssuche oder machte eine Zeremonie, die mir half, in einen visionären Zustand zu gelangen. Oder er sagte, ich solle die Götter um einen Traum bitten.
Die Huichols sagen, wir alle sind freudvolle Wesen aus Licht. Wir wurden aus Liebe erschaffen, aus allen Elementen der natürlichen Welt: Feuer, Luft, Wasser und Erde. Deshalb ist jeder von uns ein kleines Universum. Ein Spiegel der natürlichen Welt ebenso wie ein Spiegel der spirituellen Welt. Das gesamte Wissen und alle Geheimnisse beider Welten finden wir auch in uns. Unsere Aufgabe ist es, unseren Platz in diesen beiden Welten zu finden, sie zu verstehen und in Harmonie mit ihnen zu leben. Eine der kraftvollsten Möglichkeiten dies zu tun, ist durch Visionen.
Brant Secunda, Schamane und Heiler (Abb. links) und sein Lehrer, der Schamane Don José Matsuwa |
Die Huichols glauben, dass es möglich ist, dass man sein Leben erträumt und durch Visionen Wirklichkeit werden lässt. Für die Huichols gibt es zwei Arten von Visionen, nächtliche Traum-Visionen und Visionen, die wir bewusst durch Pilgerschaft, Visionssuche, Zeremonie, Tanz, visionäre Kunst oder das Essen von Peyote hervorrufen. Ich benütze Peyote in meiner Arbeit als Schamane nicht, da er in den USA illegal ist. Stattdessen konzentriere ich mich auf andere Methoden, Visionen hervorzurufen, die ähnliche Effekte erzielen. Jedes Jahr leite ich mit Unterstützung der Dance of the Deer Foundation zahlreiche Pilgerschaften zu Kraftplätzen in den USA und Europa. Wir pilgern, um die Erde zu heilen, die Sprache der Götter zu lernen und Visionen davon zu entwickeln, wie wir unser Leben verändern und kraftvoller machen können.
Weitere Informationen:
Utah Dörsch
Tel: 0821-2 43 23 30
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