Ein Freund von Harald Tietze – „Guboo“ Ted Thomas

Guboo (1909–2002), ein Stammesältester der heutigen Nachkommen der Ureinwohner Australiens, war ein spiritueller Innovator und Friedenskämpfer. Er wollte die Geheimnisse der Aborigines und ihrer Kultur in die heutige Zeit hineinbringen – eine schwierige Mission, die sogar von einigen seiner Stammesangehörigen nicht verstanden wurde. Doch wenn es jemand schaffen konnte, dann Guboo. Er wollte, dass sich alle Menschen, schwarz und weiß, zurückbesinnen auf die Einheit aller Lebewesen im „Great Spirit“ und die Einheit von Mensch und Natur respektieren.

Schon bevor Guboo zehn Jahre alt war, wurde er als neuer Stammesältester angesehen. Sehr früh wurde er in die Geheimnisse der Traumzeit eingeweiht. Seine Großmutter war eine Medizinfrau, sie nahm ihn mit zu vielen ihrer Heilzeremonien. Mit neun Jahren lief er bereits seinen ersten Walkabout, den Initiationsritus der Aborigine-Männer (der eigentlich ab 13 Jahren ist). Hier zieht der junge Mann auf sogenannten „Songlines“, Traumzeitpfaden, durch das Outback. Diese Reise ist mit speziellen spirituellen Gesängen und Meditationen verbunden.

„Unsere Kathedralen brauchen keine Glasfenster, keine Steinmauern und keine Engelstatuen. Sie brauchen keine Kräne, um zu wachsen, sie sind einfach da, entstanden aus der unendlichen Kraft des Great Spirit.“
Guboo

Als junger Mann reiste Guboo durch das ganze Land und besuchte die heiligen Orte der Aborigines. Er sprach überall mit den weisen Alten der Stämme. So erfuhr er die Würde und Kraft jedes einzelnen Ortes und wurde zu einem angesehenen politischen Führer der Aborigines. Er hat ihnen ihr Selbstvertrauen in der Öffentlichkeit zurückgegeben und den Glauben daran, dass die Wahrheit am Ende immer siegen wird.

„Das wirklich Wichtige lernte ich durch meinen Stamm, das brachte uns niemand in der Schule bei. Die Traumzeitgeheimnisse liegen in den drei großen Rs: Relationship, Respect, Responsibility.“ (Verbindung, Respekt, Verantwortung)
Guboo

Guboo mit Juta Stepanovs

Je älter Guboo wurde, umso mehr war er von der Kraft der Liebe und der Gewaltlosigkeit überzeugt. Laute Proteste erzeugen lediglich Aggressivität, das war seine Devise. Seine Waffen waren Beharrlichkeit und Toleranz, er suchte bei den Verhandlungen, die er fortwährend mit den „Neulingen“ (Bezeichnung mancher Aborigines für die europäischen Einwanderer) führte, nach Gemeinsamkeiten mit seinen Gesprächspartnern, statt die Trennung und die Gegensätze herauszustellen.

Guboo mit Harald W. Tietze

Er vertraute dabei auf den „Great Spirit“, das höhere Bewusstsein, das alle mit einschließt. Er wollte vieles für sein Volk erreichen, nicht der persönliche Sieg war sein Anliegen. Er organisierte den passiven Widerstand in den Zeltstädten mit und konnte als Erster Landesrechte für einen Aborigine durchsetzen. Er selbst formulierte es so:

„Weiße Menschen haben unser Land gestohlen und uns mit billigem Wein entschädigt. Es ist an der Zeit, das Gleichgewicht wiederherzustellen.“ Guboo kehrte im Mai 2002 zu den Ahnen in die Traumzeit zurück. Er war 93 Jahre alt geworden und er hat seinem Volk seine Visionen, seine Kraft und seinen Charme als Geschenk zurückgelassen.

„Die Erde ist unsere Mutter. Wenn ich sterbe, gehe ich zurück zur Erde. Wenn du stirbst, gehst du auch dorthin. Und was machst du für die Erde?“
Guboo