Collage "Die andere Seite der Welt"

Mars-Gesandte, Traum-Verwandte

Collage "Die andere Seite der Welt"„Ich habe die Ehre, Herrn Clarus vor mir zu sehen“, sagte der Fremde, „mein Name ist Atlamos. Ich komme aus einer fremden Welt zu Ihnen. Was Sie sehen, bin nicht ich, sondern ich bin nur vorübergehend Gast in diesem Körper, dessen Besitzer ein Schauspieler namens August Fischer ist, der sich mit seiner Tante auf einige Wochen hier in Berlin aufhält. Ich komme zu Ihnen, nicht gerade in Erfindungsangelegenheiten; es handelt sich vielmehr um Entdeckungen von größter Bedeutung für die gesamte Menschheit, zu deren Offenbarung Ihre gütige Mitarbeit wertvoll sein könnte.“

Mit dieser mysteriösen Begegnung eröffnet der Roman „Die andere Seite der Welt“ von Georg Korf. In nostalgieträchtiger Sprache wird man zurückversetzt in eine Epoche, in der Geschäftsmänner noch genügend Muße hatten, um den unerklärlichen Dingen des Lebens nachzugehen und sich etwa einer außergewöhnlichen Wesenheit zu widmen, die hellsehen kann und ein unerschöpfliches Wissen über die astralen Ebenen besitzt.

Georg Korf hat in seinem Leben nur dieses eine Werk verfasst. Bereits vor dem ersten Weltkrieg kreierte der Autor aus „erfahrenen und gesammelten Tatsachen“, wie er selbst im Nachwort schreibt, einen esoterischen Roman, dessen Inhalt heute immer noch aktuell ist. Er studierte die bekannten Mystiker und Medien, Geistes- und Jenseitsforscher, um das Thema Spiritismus und Leben nach dem Tod aus einer kenntnisreichen Rundum-Perspektive zu beleuchten. Sein Werk enthält damit eine Fülle von Weisheit über die nicht-materielle Welt. Es umspannt Erde und Himmel, Diesseits und Jenseits, ferne Welten und Planeten mit allen ihren Bewohnern. Es führt den Leser mittels der forschenden Protagonisten durch immer neue spannende Erfahrungen, die Korf zufolge „nur einen geringen Teil der Erfahrungsmöglichkeiten des unenthüllten Teils der unbegrenzten Natur darstellen“. Lesen Sie exklusiv in newsage einen Ausschnitt aus dem Roman, der kürzlich im Aquamarin-Verlag erschien.

„Wie kommt es“, sagte Friedo, „dass ich noch keine Verstorbenen gesehen habe, obgleich ich doch schon in dem Reich jenseits des Irdischen bin?“
„Du hast bereits viele so genannte Verstorbene gesehen, hast deren Erscheinung aber falsch gedeutet, weil die meisten, und zwar alle, die in der dir jetzt wahrnehmbaren Schwingungsebene sind, noch in der Suggestion der Materie dahinleben und sich so benehmen, als wären sie noch Menschen in irdischen Körpern. Sie gehen Schritt für Schritt, üben noch ihren Beruf aus, glauben sich mit ihren Angehörigen zu unterhalten und wundern sich, dass sie keine Antwort bekommen. Bis sie durch ihre Erfahrung in dem neuen Sein erkennen lernen, was mit ihnen vorgegangen ist. Du hast wohl nicht bemerkt, dass wir uns während unserer Unterhaltung von dem Luftschiff, das über Schweden hing, entfernten und nach Hamburg kamen. Kennst du die Straße?“
„Es ist der Jungfernstieg.“
„Siehst du die herumeilenden Menschen?“
„Ja, die Menschen sehe ich; aber Geister sehe ich nicht.“
„Geliebter Bruder, dies ist auch eine Suggestion aus der Materie, dass du für die Bezeichnung ‚Geist‘ und ‚Mensch‘ zwei grundverschiedene Begriffe hast. Wir wollen uns darüber einmal endgültig völlig klar werden. Menschen sind mit Stoff bekleidete Geistwesen; und die sogenannten Geister sind entkörperte, also des
toffes entkleidete Menschen. Als was fühlst du dich?“
„Als Mensch natürlich“, antwortete Friedo.
„Natürlich, sagst du so leichthin; doch der Hauptbestandteil, der den Menschen nach allgemeiner Auffassung ausmacht, dein siebzig Kilogramm schwerer Körper, befindet sich in dem
dreihundert Kilometer von hier entfernten Zimmer des Patent-anwaltes Clarus in Berlin.“
„Auch wenn mein Körper bei unseren Erdengeschwistern oder auf dem Mond läge oder gar in einem Krematorium zu Asche verwandelt wäre, so fühlte ich mich doch sicher als Mensch!“
„Siehst du, mein Bruder, nicht als Geist! Dies ist ein Wort, das die Menschen gebrauchen, um den Unterschied auszudrücken zwischen Bewohnern der irdischen und der überirdischen Ebene, obwohl die meisten Menschen nicht einmal an die letztere glauben. Erkennst du nun, dass zwischen dem ‚Leben an sich‘, diesseits oder jenseits, kein anderer Unterschied besteht, als die sich aus der Verschiedenheit der benutzten Gehäuse ergebende Anschauungsweise? Diejenigen nun, die in dem Wahn sterben, der eine Folge materialistischer Anschauungsform ist, dass das Leben nur in der groben Materie möglich sei, und die das Leben mit Organfunktionen gleichsetzen, können natürlich an das Leben nach dem Abstreifen der irdischen Hülle auch nicht glauben. Deshalb wähnen sie sich noch lange als körperliche Menschen; denn ihr feinstofflicher Körper gleicht aufs Haar dem abgelegten irdischen Kleid, und die Kraft der Einbildung zaubert infolge der außerordentlichen Elastizität und Anpassungsfähigkeit des astralen Stoffes jede gewohnte Situation in größter Vollkommenheit in die Umgebung der Unwissenden. Sie befinden sich vollständig in ihrer subjektiv begrenzten astralen Welt der Einbildung und Täuschung. Sie kennen ihren wahren Zustand nicht und wandeln auf der Erde, wie sie es immer taten, und wissen nicht, dass sie das dunkle Tor des Todes längst durchschritten haben. Das Wissen von der Sugges-tion und der Autosuggestion kann die Täuschung einigermaßen als Dolmetscher irdischem Verständnis näherbringen. Als das Wesen der Suggestion in der Welt noch nicht bekannt war, konnte über die Zustände der Selbsttäuschung der Menschheit mit Erfolg nichts berichtet werden, daher mussten sich alle Religionsstifter der Gleichnisse bedienen, um große Wahrheiten dem Verständnis der Welt so gut wie möglich anzupassen. Darum sind auch die Worte gesprochen worden: ‚Ich könnte euch noch vieles sagen, aber ihr könnt es noch nicht ertragen.‘ Es war in der damaligen Zeit für gewisse Erklärungen noch kein Verständnis bei den Menschen vorhanden. Wenn der Meister der Liebe wiederkäme, würde er andere Worte sprechen, weil das Wissen der Menschheit in den zweitausend Jahren einen großen Fortschritt gemacht hat.“
„Wird Christus denn wieder auf die Erde kommen?“
„Ein großer Weltlehrer wird kommen, der in seinem Geist lehren wird. Die Zeit ist nicht mehr fern.“
„Komme nun zur Ausführung deiner Untersuchung. Du wolltest unterscheiden lernen zwischen den in irdischen Körpern und außerhalb der Körper Lebenden. Frage jenen Herrn dort mit dem grauen Hut nach der Johannisstraße.“
„Er antwortet mir nicht.“
„Frage den anderen dort.“
„Er antwortet auch nicht.“
„Frage den Polizisten, der dort an der Straßenkreuzung steht.“
„Der gab mir die Auskunft.“
„Die beiden ersten antworteten dir nicht, weil sie deine Frage nicht hörten, denn sie sind körperliche Menschen. Unsere Gedankensprache, die doch wirklich real ist –, denn wir haben uns durch sie bereits recht vielseitig unterhalten – kann nur bei großer Willensanstrengung dem Durchschnittsmenschen als schwache Einflüsterung zum Bewusstsein kommen. Zwischen Menschen, bei denen eine seelische Sympathie besteht, ist es jedoch leichter möglich. Der Polizist ist ein Entkörperter. Er wurde von einem Auto überfahren, und die Trennung von seinem Körper vollzog sich schnell, so dass nichts von dem Vorkommnis in sein Bewusstsein kam, was er in das feinstoffliche Reich mitnehmen konnte. Er lebt nun vorläufig noch in der Illusion seiner Dienstausübung weiter. Da er sich aber schon unbewusst dieser astralen Schwingungswelt angepasst hat, konnte er deine Frage wahrnehmen und dir Auskunft geben. Wie fest der Glaube an die Materie in ihm wurzelt, wirst du alsbald merken, wenn du ihn über seinen Zustand aufzuklären versuchst.“
Friedo wandte sich an den Polizisten: „Gestatten Sie eine Frage, wie lange machen Sie hier schon Dienst an dieser Straßenecke?“
„Danach haben Sie mich nicht zu fragen“, antwortete der Polizist barsch.
„Sie haben recht, aber ich möchte Sie gern über etwas aufklären. Sie sind vorgestern hier von einem Auto überfahren wor-
den …“
„Was?“, schrie der Schutzmann ihn an. „Solange ich hier Dienst tue, ist an dieser Stelle noch kein Mensch von einem Auto überfahren worden, am wenigsten ich selbst.“
„Erregen Sie sich nur nicht, ich meine es ja nur gut mit Ihnen. Ich wollte Sie nur darüber aufklären, dass Sie tatsächlich der Überfahrene sind und sich gar nicht mehr in der irdischen Welt befinden, sondern in der geistigen Welt leben …“
„Mein Herr, Sie sind wohl verr…“
‚Ja, sicher habe ich einen Verrückten vor mir‘, dachte der Polizist, und sagte zu Friedo: „So, Sie meinen, ich bin, ich bin – nicht mehr hier in dieser Welt.“
„Ja, Sie sind jenseits der Materie. Ihr Körper wird morgen begraben, und Ihr Geist – Sie selbst – leben nun weiter. Sie brauchen nun keinen Dienst als Polizist mehr zu tun. Hier gibt es andere Aufgaben zu erfüllen.“
„Ja, wenn Sie meinen“, sagte der Schutzmann mit einem pfiffigen Blick. „Wollen Sie die Güte haben und mit mir auf wenige Minuten mit zur Wache kommen, da wollen wir uns erkundigen, wie es mit mir und meinem Dienstverhältnis steht.“
Durch einen kräftigen Willensstrom veränderte Atlamos den Sinn des Polizisten und entfernte sich mit Friedo rasch von ihm, zu seinem Begleiter sagend: „Der wollte dich als Irrsinnigen verhaften.“
„Ja, ich merkte es wohl. Sollte es denn aber gar nicht möglich sein, ihn von seinem Wahn zu befreien?“
„Nein, noch nicht. Erst mit dem allmählichen Verklingen der Schwingungen irdischer Gewohnheiten und der letzten Tätigkeit wird er nach und nach belehrt werden können. Zuvor wird er aber noch verschiedene ‚Irre‘, die ihm helfen wollen, zu verhaften versuchen. Diese nachwirkende Suggestion kann Monate dauern, wobei die Dauer abhängig ist von den individuellen Fähigkeiten. Meistens befinden sich die Verunglückten und namentlich die Selbstmörder so lange im Traum der Materie, bis die Zeit naht, in der sie eines natürlichen Todes gestorben wären.“
„Das ist ja fürchterlich, so lange zu träumen.“
„Denke daran – jenseits von Zeit und Raum.“

 

BUCH-TIPP
Georg Korf
Die andere Seite der Welt
332 Seiten, € 19,95
ISBN 978-3894275853
Aquamarin Verlag

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