„Du begegnest jemandem und bist dir sicher, dass ihr bereits in einem früheren Leben Liebende wart. Nach zwei Wochen mit ihr oder ihm merkst du, dass ihr 2000 Jahre lang keinen Kontakt hattet.“ Al Cleathan

Seelenpartner

Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass Ihnen jemand fehlt, dem Sie noch nie begegnet sind – außer vielleicht in Ihren Träumen? Der Traum vom Seelenpartner ist uralt und dauert auch in unserer Zeit fort. Die Erwartungen und Wünsche der Einzelnen sind dabei so unterschiedlich wie die Menschen selbst und lassen die aufregendsten Geschichten entstehen, die das Leben so schreiben kann. Die britische Autorin, Astrologin und medial Veranlagte Judy Hall untersucht seit Jahrzehnten die Beziehungen von Seelenverwandten und weiß, dass es der Himmel auf Erden sein kann – aber auch die Hölle.

»Du begegnest jemandem und bist dir sicher, dass ihr bereits in einem früheren Leben Liebende wart. Nach zwei Wochen mit ihr oder ihm merkst du, dass ihr 2000 Jahre lang keinen Kontakt hattet.«
Al Cleathan
Vielleicht liegt es an der Polarität der Geschlechter, die sich im ewigen Spiel der Anziehung nach dem erfüllenden Gefühl der Vereinigung sehnen. Vielleicht ist es aber ein noch tieferer Wunsch, der das seelische Gefühl der Getrenntheit überwinden will, das auch in der Vereinigung nur kurzfristig ausgelöscht wird. Die Suche nach einem Partner, der uns richtig versteht, uns jederzeit unterstützt und sein Leben mit uns teilt, der in seinem tiefsten Innern auf der gleichen Ebene schwingt wie wir, hat schon die meisten von uns angetrieben.

Doch ist solch ein Wunsch realistisch? Liegen im Unterschied der Geschlechter nicht bereits so unterschiedliche Herangehens-weisen an das Leben, das man sich im besten Fall immer nur ergänzen, für kurze Zeit verschmelzen, aber niemals wirklich eins sein kann?

Die Suche nach dem Ideal

Der tiefe Wunsch nach vollständiger Verschmelzung mit einem anderen kann im physischen Leben eigentlich nicht aufrechterhalten werden. Anstatt diesem hinterherzujagen, scheint das Leben vielmehr von uns zu erwarten, dass wir als Individuen lernen, uns selbst ganz anzunehmen, zu lieben und zu verwirklichen, damit unser Suchen im Außen ein Ende findet. Denn bildet der Partner die Grundlage für unser Glück, so entsteht meist ein Gefühl der Abhängigkeit.

Die Erweiterung des Bewusstseins ist Bestandteil jedes Lebens. Welche Fortschritte wir in dieser Hinsicht machen, hängt von jedem Einzelnen ab. Letztendlich mögen wir so weit kommen, dass wir merken, dass wir auf einer bestimmten Ebene alle miteinander verbunden sind und auch nicht getrennt von der Welt existieren. Aber zu dieser Erkenntnis muss man letztendlich selbst gelangen. Dabei kann ein Partner nur begrenzt behilflich sein. Indem man sich selbst näherkommt, gelangt man zu diesem eigenen inneren Wesen, das der Welt viel näher ist als unser Ego.

Die Freiheit, man selbst zu sein,
ist das größte Geschenk der Liebe.

Ob man nun eher durch Leid oder Freude zu solchen Erkenntnissen gelangt, bleibt fraglich. Der eine muss durch unangenehme Gefühle der Abhängigkeit lernen, der andere hat diese vielleicht schon in einem anderen Leben bewältigt und braucht sie nun nicht mehr. Auch die Frage, ob ein ergänzender oder ein ähnlicher Charakter eher zu einer erfüllenden Partnerschaft führt, ist nicht eindeutig bestimmbar.

Bei Seelenpartnern geht man häufig davon aus, dass sie sich besonders ähnlich sind, weil sie ähnlich schwingen. Dennoch hat Judy Hall die Erfahrung gemacht, dass Seelenpartner, die sich als Ergänzung zueinander verstehen, besser harmonieren. Fest steht, dass eine »Dualseele«, wie Judy Seelenpartner auch nennt, in den seltensten Fällen jemand völlig Neues ist. Fast immer sind diese einander bereits in einer anderen Existenz begegnet. Judy Hall musste im Verlauf ihrer Arbeit auch feststellen, dass die wahren Probleme oft erst dann beginnen, wenn sich die Variable Sex unter die Seelenpartner-Gleichung mischt. Sie rät daher, dem intensiven Gefühl der Verbundenheit nicht sofort mit der körperlichen Vereinigung gleichzukommen, sondern erst einmal zu prüfen, was für einen karmischen Sinn die Begegnung haben könnte und wie sie am besten in unser Leben passt.

Judy Hall hat in ihrem neuesten Buch »Liebe – Schicksal oder Geschenk des Himmels« das Thema Seelenpartner von allen Blickwinkeln aus beleuchtet. In ihrer Arbeit als Heilerin und spirituelle Beraterin hat sie unzählige Paare auf ihrem gemeinsamen Weg begleitet und dabei viele interessante Aspekt seelenverwandter Menschen erkannt. So berichtet sie von den verschiedensten schicksalhaften Geschichten, die Seelengefährten erfahren haben, von vermeintlichen und echten Seelengefährten, von »Zwillingsflammen«, die einander noch näher sind als Seelenpartner, von karmischen Banden, die über viele Leben hinweg bestehen und von der Heilung alter Verstrickungen, die uns im gegenwärtigen Leben daran hindern können, eine gewöhnliche oder seelenverbundene Partnerschaft zu führen. Zudem hat sie viele Übungen entwickelt, mittels derer energetisch mit alten und neuen Seelen-Verbindungen gearbeitet werden kann.

Lektionen

Über 60 Prozent von Judys karmischen Beratungen betreffen Seelenpartner, und die wenigsten Verbindungen sind durchweg glücklich, obwohl sie vielleicht einmal so begonnen haben. Ihr zufolge liegt das daran, dass die Seelen in einem stetigen Prozess des Lernens sind. Außerdem gibt es nicht nur eine einzige Seelenpartner-Verbindung. Es gibt mehrere und mit jeder Geschichte soll die Seele etwas anderes lernen. Letztendlich ist alles vorübergehend und auch eine Seelenverbindung, die über mehrere Leben hinweg existiert, kann zu einem Ende kommen.

»Einst kannt’ ich dich, doch im Paradies, wenn wir
uns seh’n, wend’ ich mich ab und geh vorüber.«
Robert Browning

Die Funktion der Seelenpartner-Lektion kann sein, dass eine Hälfte des »Paares« die andere zuerst erkennt und dann alles tut, um ihr auch zu dieser Erkenntnis zu verhelfen, wobei sie vielleicht bereits dabei lernen muss, dass wir einem anderen nichts abnehmen können. Häufig muss der eine dem andern helfen, destruktive Erfahrungen zu überstehen, oder einer der beiden verursacht destruktive Szenarien, aus denen der andere lernen muss. Es kann sogar sein, dass wir auf einen unechten Seelenpartner stoßen oder auf einen, von dem wir uns befreien müssen.

Merkmale, anhand derer man einen Seelenpartner erkennt:
  • Plötzliches Wiedererkennen, große Vertrautheit
  • Gefühl der überwältigenden Liebe
  • Extreme Gefühle der Sympathie oder auch Antipathie
  • Schicksalhaftigkeit der Begegnung, Synchronizitäten
  • Großes Verlustgefühl bei Trennung

Spiegelnde Seelen

Karmische Beziehungen weisen immer auch Elemente der Projektion und des Spiegelns auf. Lebten wir in völliger Isolation, würden wir uns wahrscheinlich niemals selbst erkennen können; deswegen tendieren wir wohl dazu, etwas, das in unserem Innern ist, zuerst außen zu sehen. Unsere Seelenpartner konfrontieren uns mit allen Themen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen, mit karmischen Lektionen und verinnerlichten Mustern, mit all unseren unerkannten und ungeliebten Aspekten, denen wir gerne aus dem Weg gehen. Damit bieten sie uns die Möglichkeit, uns selbst bedingungslos und vollständig lieben zu lernen.

»Wenn wir Probleme mit unserem Partner haben, dann deshalb, weil wir sie mit uns selbst haben.«
Steve Biddulph

Mythen von Zwillingsseelen

Bereits im biblischen Schöpfungsmythos des Menschen ist Eva eine Art »andere Hälfte« Adams. Im Grunde sind die beiden sogar eins. Es gibt aber einen älteren Schöpfungsmythos, der im heiligen Buch der Kabala, dem Sohar, noch von einer anderen Gefährtin Adams erzählt. Seine erste Frau ist ein Wesen namens Lilith, das kein Teil von ihm darstellt, sondern lediglich zugegen ist, als er geschaffen wird. Lilith kommt auch im sumerischen Gilgamesch-Epos vor. Hier ist sie eine Gefährtin der strahlenden Göttin Inanna und stellt eine Art dämonisches, Unruhe stiftendes Schattenwesen dar.

»Bevor Yoko und ich einander begegneten, waren wir halbe Menschen. Wissen Sie, es gibt einen alten Mythos, wonach ein Mensch die eine Hälfte ist und die andere Hälfte sich ganz woanders befindet, im Himmel oder anderswo, wie ein Spiegelbild. Wir beide waren zwei Hälften, und jetzt sind wir ganz.«
John Lennon

John Lennon bezieht sich in seinem Zitat wahrscheinlich auf Platons Erklärung zum Ursprung von Seelengefährten. In dessen Werk »Symposium« wird erzählt, dass die Menschen einst zwei Personen in einem Körper waren und zwei Köpfe sowie vier Arme und Beine hatten. In ihrer Vollständigkeit rollten sie gleichsam Rad schlagend ekstatisch dahin und vermochten fast alles. Doch ihr Stolz führte dazu, dass die Götter erzürnten und Zeus sie in zwei Hälften teilte. Seitdem suchen diese Hälften einander unentwegt.

Der Psychologe C. G. Jung wiederum hat das Phänomen der Seelenverwandtschaft anhand des inneren Animus und der inneren Anima zu erklären versucht. Diese stellen unser inneres unbewusstes Bild bzw. den Archetyp eines gegengeschlechtlichen Partners dar.

Viele spirituelle Lehren kennen ein »höheres Selbst« oder auch einen energetischen Doppelgänger unserer selbst. Vielleicht gilt die Suche nach einem Seelenpartner eigentlich diesen Instanzen. In der hinduistischen Lehre gibt es eine Überseele, von der wir alle eine Art »Satellit« sind, der am Ende seiner Bewusstseinsreise seine Erfahrungen wieder an die Gruppe abgibt. Die Vervollkommnung des Selbst dient hier der Gemeinschaft. Die Selbstlosigkeit und Transzendierung des Ego steht bei den spirituellen Lehren im Vordergrund und führt im Endeffekt zu einer vollständigen Seelenverbindung zum Selbst. Wie auch immer man die Verbindung zum Seelenvollen angeht, es ist eine spannende Angelegenheit, denn das Schicksal hält immer eine Überraschung für uns
bereit.

BUCH-TIPP
Judy Hall
Liebe – Schicksal oder Geschenk des Himmels?
350 Seiten, 19,95 € PREIS
ISBN: 978-3-89427-581-5
Aquamarin Verlag

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